Leitsatz (amtlich)
1.) Bei dem von einem Makler des VN ausgearbeiteten und selbst beantworteten Fragenkatalog nach Gefahrumständen handelt es sich nicht um Fragen des Versicherers i.S.d. § 19 Abs. 1 VVG.
Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Versicherer diesen Fragenkatalog zu eigen gemacht hat. Ob dies vor Beantwortung der Fragen erfolgen muss oder auch noch nachträglich geschehen kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Ein "Zu-eigen-machen" liegt nicht schon dann vor, wenn es bislang unter Geltung des alten VVG branchenüblich war, dass für diesen Versicherungsbereich der Makler die Fragen selbst entwirft und für den VN beantwortet.
2.) Eine Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG darf nicht in umfangreichen "Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung" enthalten sein, sondern muss im Zusammenhang mit den Antragsfragen erfolgen.
3.) Teilt der Mitversicherer dem VN mit, dass einer der Mitversicherer nunmehr der führende Versicherer ist und bittet um Überlassung des künftigen Besichtigungsberichts des Führenden, so liegt darin die Erteilung einer Außenvollmacht mit der Folge, dass sich der Mitversicherer die Kenntnis des führenden Versicherers von Gefahrumständen entsprechend § 166 BGB zurechnen lassen muss.
4.) Der Versicherungsmakler, der den VN so umfassend vertritt, dass der VN selbst überhaupt nicht, auch nicht bei Unterzeichnung des Vertrages in Erscheinung tritt, ist kein Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB.
Dies gilt auch dann, wenn der Makler mit dem Versicherer über eine Rahmenvereinbarung verbunden ist, der Versicherungsvertrag aber im Wege der Ausschreibung zustande gekommen ist.
5.) Die von einem der Mitversicherer mit dem VN vereinbarten Risikoausschlüsse entfallen dann, wenn der vom führenden Versicherer für alle Mitversicherer unterzeichnete Versicherungsschein diese Risikoausschlüsse nicht mehr enthält.
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 16.11.2009; Aktenzeichen I-23 O 40/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.12.2009 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Hagen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung einschließlich der der Streithelferin entstandenen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Parteien streiten über den Bestand eines Versicherungsvertrages und die Regulierung eines Brandschadens der Klägerin.
Die Klägerin stellt in ihrer aus mehreren Gebäuden bestehenden Betriebsstätte in Iserlohn u.a. Badarmaturen her. Am 29.1.2009 unterzeichnete die als Maklerin tätige Streithelferin der Klägerin mit der R Ltd. (nachfolgend R) als führendem Versicherer eine Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung. In erster Instanz war es unstreitig, dass die Beklagte - die bis zum 14.10.2009 als Y firmierte - dem Konsortium neben der A und der H mit einem Anteil von 25 % angehört.
Durch ein Feuer in dem der Klägerin benachbarten Werk der Fa. W-GmbH kam es am 21./22.7.2009 zu einer Explosion, wobei sich das hierbei entstandene Feuer auch auf Betriebsgebäude der Klägerin ausbreitete und dort einen Schaden - nach Angaben der Klägerin - von bis zu 80 Mio. EUR verursachte.
Mit Schreiben vom 21.8.2009 erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag; eine Anfechtungserklärung wegen arglistiger Täuschung gab sie mit Schreiben vom 25.9.2009 ab.
Die Beklagte verweigerte anders als die weiteren drei Versicherer der Klägerin den Versicherungsschutz unter Hinweis auf ihre Rücktrittserklärung und die erklärte Anfechtung.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Ansicht vertreten, die Beklagte sei weder zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag noch zu dessen Anfechtung berechtigt gewesen.
Die Klägerin und ihre Streithelferin haben beantragt, festzustellen, dass der von der Beklagten mit Schreiben vom 21.8.2009 erklärte Rücktritt von dem mit der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrag unwirksam sei und zwischen der Klägerin und der Beklagten am 22.7.2009 ein Versicherungsverhältnis über die Risiken Feuer und Feuerbetriebsunterbrechung bestanden habe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat mit näheren Darlegungen ihren Rücktritt und ihre Anfechtungserklärung für wirksam erachtet. Hilfsweise hat sie sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie entsprechend ihrem mit der Streithelferin abgeschlossenen Rahmenvertrag generell keine Feuerrisiken von Gebäuden zeichne, bei denen überwiegend Styropor als Dämmmaterial benutzt worden sei. Dies habe sie auch in ihrer Prämienofferte zum Ausdruck gebracht, so dass dies auch Vertragsinhalt geworden sei.
Für den Fall der Stattgabe der Klage hat sie beantragt, festzustellen, dass unter zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits geschlossenen Versicherungsverträgen nur solche Gebäude feuerversichert seien, bei denen kein Styropor...