Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobe Fahrlässigkeit bei Rotlichtverstoß und unklarer Ampelleuchte
Leitsatz (amtlich)
Grobe Fahrlässigkeit bei einem Rotlichtverstoß. Eventuell unklare Ampelleuchten entlasten nicht.
Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 2 O 251/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 13.10.2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Vollkaskoversicherung aus Anlass eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 16.9.1999 gegen 12.30 Uhr in L.-E. ereignet hat.
Zur genannten Zeit befuhr der Kläger mit dem versicherten Fahrzeug die D.-Straße in Richtung L. Auf der Kreuzung P.-Straße/F.-Straße kam es zu einem Zusammenstoß mit dem von links aus der P.-Straße kommenden Fahrzeug der Unfallgegnerin S.-P.
Der Beklagte verweigert Versicherungsschutz, weil der Kläger eine für ihn Rotlicht anzeigende Ampel missachtet und deshalb den Versicherungsfall grob fahrlässig (§ 61 VVG) herbeigeführt habe.
Durch das angefochtene Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Entscheidungsgründe
Der Beklagte ist wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 61 VVG leistungsfrei geworden.
Nach st. Rspr. des Senats sind Rotlichtverstöße wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit, die offensichtlich ist, in der Regel als grob fahrlässig zu qualifizieren. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen. Das Überfahren einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung oder Einmündung birgt große Gefahren, wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist. Von einem durchschnittlich sorgfältigen Kraftfahrer muss verlangt werden, dass er an die Kreuzung jedenfalls mit einem solchen Mindestmaß an Konzentration heranfährt, das ihm ermöglicht, die Lichtzeichenanlage wahrzunehmen und zu beachten. Er darf sich nicht von weniger wichtigen Vorgängen und Eindrücken ablenken lassen (BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1992, 1085; OLG Hamm v. 12.2.1988 – 20 U 221/87, VersR 1988, 1260; v. 17.6.1994 – 20 U 390/93, OLGR Hamm 1994, 176 = VersR 1995, 92).
Allerdings gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver, nur auf die Verhaltensanforderungen des Verkehrs abgestellter Maßstab. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Subjektive Besonderheiten können i.S. einer Entlastung von dem schweren Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen. Dabei reicht allerdings die Feststellung eines so genannten „Augenblicksversagens” allein zur Entlastung nicht (BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1992, 1085; OLG Hamm, NVersZ 2000, 336).
In der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass der Kläger trotz für ihn geltenden Rotlichts in den Einmündungsbereich eingefahren ist und dadurch den Verkehrsunfall herbeigeführt hat. Auch das subjektive Verschuldensmoment, das das Verdikt der groben Fahrlässigkeit erst begründet, kann festgestellt werden. Im Senatstermin ist der Ampelphasenplan, der zum Unfallzeitpunkt Geltung hatte, erörtert worden. Daraus ergibt sich, dass der Kläger mindestens 9 Sekunden lang auf eine Ampel zugefahren ist, die nicht mehr Grünlicht anzeigte. Damit hat er für mindestens 9 Sekunden seine elementare Sorgfaltsanforderung verletzt. Das ist bei weitem zu lang, weil er sich damit außer Stande gesetzt hat, auf Lichtwechsel zu reagieren und sein Fahrzeug erforderlichenfalls noch vor dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zum Stehen bringen zu können.
Er hat auch keine Tatsachen geschildert, die geeignet wären, sein Fehlverhalten ausnahmsweise in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Wie sich aus dem von ihm als Anlage zum DEKRA-Gutachten überreichten Lichtbildern ergibt, gab es für ihn beim Herannahen an die Ampelanlage keine Sichthindernisse. Er hatte insgesamt drei Ampelleuchtkörper vor sich (je einen auf dem rechten und auf dem linken Bürgersteig sowie einen über seiner Fahrspur). Auf Grund des vorgelegten DEKRA-Gutachtens vom 13.6.2000 ergibt sich, dass bei lichttechnischen Messungen bei annährend gleicher Sonnenstellung wie am Unfalltag im Abstand von 54m zur Ampelanlage das sog. Hauptsignal (rechter Bürgersteig) bei Rot- und Gelblicht uneingeschränkt erkennbar war; nur hinsichtlich des Grünlichts war die erforderliche Schwellenleuchtdichte überschritten. Für die Ampel auf dem linken Bürgersteig gab es keinerlei Auffälligkeiten; sämtliche Signalleuchten waren problemlos erkennbar. Nur bei der über der Fahrspur angebrachten Ampel war eine Überschreitung der Schwellenleuchtdichte für Rot- und Gelblicht (nicht aber f...