Leitsatz (amtlich)
Liegt bei einem Patienten eine craniomandibuläre Dysfunktion vor, muss zunächst eine funktionelle Therapie durchgeführt werden.
Wird die endgültige prothetische Versorung - ohne Abzuwarten - durchgeführt, liegt darin ein grober zahnärztlicher Behandlungsfehler.
Normenkette
BGB §§ 611, 280, 249, 253
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 26.06.2013; Aktenzeichen 5 O 21/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.6.2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit der Klage hat der Kläger in der Hauptsache die Zahlung von Zahnarzthonorar i.H.v. 3.375,97 EUR von dem Beklagten verlangt. Dieser hat wegen vermeintlicher Behandlungsfehler Widerklage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes i.H.v. mindestens 10.000 EUR und Feststellung weiter gehender Ersatzpflicht für materielle und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden erhoben.
Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 7.000 EUR verurteilt sowie die Feststellung weiter gehender Ersatzpflicht getroffen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Klageabweisung akzeptiert und nur noch die Zusprechung der Widerklage angreift.
Der Kläger stellt Behandlungsfehler weiterhin in Abrede und behauptet, dass das LG zu Unrecht von einer Bissanhebung ausgegangen sei, obwohl der Sachverständige die für diese Feststellung erforderlichen Situationsmodelle, den klinischen Funktionsstatus und die montierten Modelle im Artikulator nicht zur Verfügung gehabt habe, weil diese abhanden gekommen seien. Ohne die Feststellung einer Bissanhebung sei ein Behandlungsfehler nicht gegeben, zumindest aber kein grober Behandlungsfehler. Dem Beklagten obliege deshalb die Beweislast dafür, dass es bei ihm zu einer cranio-mandibulären Dysfunktion gekommen sei. Diesen Beweis habe er nicht geführt. Schmerzensgeld- und sonstige Ersatzansprüche bestünden deshalb nicht. Vorsorglich hält der Kläger den Schmerzensgeldausspruch für überhöht.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Arnsberg vom 25.6.2013 (I-5 O 21/06) die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Das LG habe zu Recht darauf abgestellt, dass zwischen der Bissanhebung und der definitiven Eingliederung des endgültigen Zahnersatzes ein zu kurzer Zeitraum für die notwendige funktionelle Vorbehandlung der vorhandenen cranio-mandibulären Dysfunktion gelegen habe. Das begründe den groben Behandlungsfehler und die daraus gezogene Schlussfolgerung der Haftung des Klägers.
Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. I. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin verwiesen.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. den §§ 540, 313a Abs. 1, 543, 544 ZPO n.F. i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen. Es wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das LG der Widerklage in dem erkannten Umfang stattgegeben. Die von dem Beklagten geltend gemachten Ansprüche stehen ihm nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu.
Der Senat stützt sich insoweit auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen und seine überzeugenden Ausführungen bei der Anhörung vor dem Senat, während die Ausführungen des Sachverständigen Dr. E die hier gegebene Problematik der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) nicht hinreichend erfassen und deshalb zur Entscheidungsfindung nicht geeignet sind.
1. Der Beklagte hat gegen den Kläger gemäß den §§ 611, 280, 249 ff., 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 7000 EUR nebst Zinsen.
Dem Kläger ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Behandlung des Beklagten ein Behandlungsfehler unterlaufen, indem er vor der definitiven Eingliederung der Prothetik eine bereits vorhandene CMD nicht funktionell behandelt hat.
a. Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass vor dem Beginn der Behandlung bereits eine CMD-Problematik bestanden hat.
Das folgt aus der Dokumentation des Klägers, die unter dem 2.12.2002 verzeichnet: "Überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad aufgrund dysfunktioneller Kaugewohnheiten ". Der Sachverständige Professor Dr. I hat dazu ausgeführt, dass diese Dokumentation nicht nur für ihn, sondern auch für jeden anderen zahnärztlichen Behandler das Vorliegen einer CMD beschreibt. Die darauf begründete Vermutung, dass tatsächlich eine CMD diagnostiziert worden ist, hat der Kläger nicht widerlegt. Soweit er in der mündlichen Verhandlung vor dem LG angegeben hat, er habe lediglich Bruxismus festgestellt, reicht das zur Begründung von Zweifeln nich...