Leitsatz (amtlich)

Wird bei dem sogen. Slicen von Milchzähnen zuviel Zahnschmelz abgetragen und entsteht eine ungleichmäßige Oberfläche, kann dies als grober Behandlungsfehler zu bewerten sein.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 12 O 34/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Dezember 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die am ........1995 geborene Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften kieferorthopädischen Behandlung zur Vorbereitung einer implantologischen Therapie bei nichtangelegten Zähnen auf Schmerzensgeld (2.000,00 EUR), Feststellung zukünftiger Schadensersatzpflicht und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (808,11 EUR) in Anspruch.

Bei der Klägerin sind mehrere bleibende Zähne nicht angelegt (15, 35, 38, 45, 48). Verblieben sind aber die Milchzähne 55, 75 und 85. Ab dem Jahr 2012 befand sich die Klägerin in kieferorthopädischer Behandlung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 2) und 3). Die streitgegenständliche Behandlung wurde durch die Beklagte zu 1) ausgeführt.

Ausweislich des von der Krankenkasse der Klägerin genehmigten Behandlungsplans vom 03.12.2012 (vgl. Hülle Bl. 80a) sollten aufgrund der Nichtanlagen nach einer späteren Extraktion der Milchzähne diese durch Implantate ersetzt werden. Im Hinblick auf die Behandlung bestand jedoch Einigkeit zwischen den Beklagten und der Klägerin bzw. ihrer Mutter dahingehend, dass die Milchzähne solange wie möglich erhalten bleiben sollten. Die implantologische Versorgung war nicht in näherer Zukunft geplant.

Am 25.03.2013 sowie am 28.04.2013 erfolgte eine seitliche Reduktion der Milchzähne der Klägerin durch die Beklagte zu 1).

Die Klägerin hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen. Die Beklagte zu 1) habe die geslicten Milchzähne nach dem Beschleifen nicht versiegelt. Es sei nie die Rede davon gewesen, dass die Milchzähne geslict und dabei in ihrer Breite reduziert werden müssten. Es sei auch niemals über Behandlungsalternativen gesprochen worden. Nach Entfernung des Zahnschmelzes sei ein Zahn sofort sehr temperaturanfällig gewesen; es habe sich innerhalb kürzester Zeit Karies an den Zähnen gebildet. Es seien nunmehr zwei Implantate erforderlich. Anderenfalls hätte sie einfach ihre Milchzähne behalten und wie bleibende Zähne benutzen können.

Die Beklagten haben behauptet, aufgrund des Behandlungsplans vom 03.12.2012 seien die Milchzähne in ihrer Breite reduziert und anschließend versiegelt worden. Das Vorgehen sei mit der Mutter der damals noch minderjährigen Klägerin ausführlich besprochen worden. Behandlungsalternativen zu der geplanten Implantatversorgung habe es nicht gegeben. Die seitliche Reduktion der Milchzähne sei erforderlich gewesen, um die Milchzähne auf die Breite der bleibenden Zähne zu reduzieren, damit später passgenaue Implantate gesetzt werden könnten. Das Slicen sei Teil der geplanten implantologischen Therapie gewesen.

Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines kieferorthopädischen Gutachtens stattgegeben. Den Beklagten sei sowohl ein Aufklärungsfehler als auch ein Behandlungsfehler zur Last zu legen. Die Klägerin bzw. ihre Mutter sei über mehrere mögliche echte Behandlungsalternativen nicht aufgeklärt worden. Zwar stelle auch die seitliche Reduktion der Milchzähne für eine spätere Implantatversorgung neben den insgesamt vier weiteren Behandlungsalternativen eine geeignete Behandlungsmöglichkeit dar, allerdings sei das Verfahren des Slicens von Milchzähnen nicht etabliert. Das Verfahren des Beschleifens der Milchzähne sei aus kieferorthopädischer Sicht im Hinblick auf die Langzeitprognose nicht nachuntersucht und somit nicht absehbar. Darüber hinaus sei schon nach Angabe der Beklagten zu 1) keine hinreichende Aufklärung über die Risiken des Slicens der Milchzähne - erhöhte Empfindlichkeit, Reaktion des Zahnnervs, Verfärbungen und Karies - erfolgt. Darüber hinaus habe die konkrete Behandlung nicht dem zahnmedizinischen Standard entsprochen. Das Beschleifen der Milchzähne sei fehlerhaft durchgeführt worden. So sei bei den Zähnen 75 und 85 zu viel Material entfernt worden, bei Zahn 55 grenzwertig viel abgeschliffen worden. Durch das Slicen der Zähne bis ins Dentin sei eine Dentinwunde entstanden, welche die Qualität der Milchzähne herabgesetzt habe. Die erforderliche zahnärztliche Versorgung des Dentins habe dann wiederum dazu geführt, dass der durch das Slicen gewonnene Platz wieder teilweise aufgefüllt worden sei. Ferner sei die Qualität des Beschleifens mangelhaft. Eine so ungleichmäßige Oberfläche als Ergebnis des Beschleifens hätte nicht passieren dürfen. Bei der konkreten Durchführung des Beschleifens handele es sich um einen groben Behandlungsfehler. Infolge des nicht fachgerechten Beschleifens der Milchzähne habe die Klägerin jedenfalls ...

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