Leitsatz (amtlich)
Die Annahme einer "nährwertbezogenen Angabe" im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) HCVO setzt nicht voraus, dass die Angabe sich auf bestimmte, namentlich bezeichnete Substanzen bezieht. Dem Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO ist zu entnehmen, dass auch eine Angabe, die lediglich abstrakte Oberbegriffe verwenden, eine nährwertbezogene Angabe im Sinne der HCVO darstellen kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung "Monsterbacke II" des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 12.02.2015 - I ZR 36/11 -).
Normenkette
HCVO Art. 8 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 lit. b; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 10.11.2015; Aktenzeichen 25 O 166/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.11.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Dortmund wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass in der Urteilsformel des angefochtenen Urteils im Unterlassungsausspruch die Worte "oder in vergleichbarer Art und Weise" entfallen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 Euro abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der klagende Verein ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen.
Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel eines in den Niederlanden ansässigen Herstellers. Sie vertreibt die Produkte u.a. über den Online-Shop in ihrem Internetauftritt "*Internetadresse*".
Anfang Januar 2014 bewarb und vertrieb die Beklagte über ihren Online-Shop das Nahrungsergänzungsmittel "Original Spiruletten® 1000 mit Gerstengras". Die diesbezügliche Produktseite im Online-Shop der Beklagten (Internetausdruck Anlage K2 = Blatt 18-19 der Gerichtsakte) enthielt u.a. die nachfolgend abgebildete Darstellung:
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Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 13.01.2014 (Anlage K3 = Blatt 20-22 der Gerichtsakte) ab. Die Werbeaussagen in der Produktbeschreibung verstießen gegen Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (HCVO). Die Angabe, dass ein Lebensmittel "Vitalstoffe" enthalte, sei keine durch den Anhang zu Art. 8 Abs. 1 HCVO zugelassene nährwertbezogene Angabe. Der Kläger forderte die Beklagte zur Unterlassung und - unter Fristsetzung bis zum 28.01.2014 - zur Erstattung von Abmahnkosten (Kostenpauschale) in Höhe von 232,05 EUR auf.
Die Beklagte wies die in der Abmahnung erhobenen Ansprüche mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.01.2014 (Anlage K4 = Blatt 23-25 der Gerichtsakte) zurück.
Der Kläger beauftragte daraufhin seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der weiteren Rechtsverfolgung, die gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 24.01.2014 (Anlage K5 = Blatt 26-27 der Gerichtsakte) die Rechtsauffassung des Klägers noch einmal bekräftigten und nochmals die Aufforderung zur Abgabe einer ausreichenden strafbewehrten Unterlassungserklärung aussprachen. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.05.2014 (Anlage K13 = Blatt 47-48 der Gerichtsakte) bezifferte der Kläger die ihm für die Unterlassungsaufforderung vom 24.01.2014 entstandenen Kosten (Rechtsanwaltsvergütung) auf 984,60 EUR und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 19.05.2014 zur Erstattung dieses Kostenbetrages auf.
Der Kläger hat gegenüber dem LG die Ausführungen aus seiner Abmahnung wiederholt und vertieft. Bei den Angaben zu "Vitalstoffen" in der angegriffenen Produktbeschreibung handele es sich um nach der HCVO unzulässige nährwertbezogene Angaben.
Der Kläger hat in seiner Klageschrift vom 28.05.2015 zunächst beantragt,
I. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, die von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Lebensmittel würden "Vitalstoffe" enthalten, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend dargestellt:
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- II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 232,05 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2014 zu zahlen;
- III. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an ihn, den Kläger, einen Betrag in Höhe von 964,60 EUR (sc.: "nebst Zinsen hieraus") in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basi...