Leitsatz (amtlich)
Werbeaussagen, mit denen für "Original Spiruletten mit Gerstengras" in der Weise geworben wird, dass das Produkt "über 7.000 Vitalstoffe" enthalte, Gerstengras "das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt" sei, "über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe" dem Verbraucher "insbesondere im Frühjahr den nötigen Schwung für den Sommer" geben sind irreführend und zu unterlassen.
Normenkette
UWG §§ 3-4, 8; VO (EG) Art. 5; VO (EG) Art. 6; VO (EG) Art. 8; VO (EG) Art. 10; Health Claim VO (HCVO) 1924/2006
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 06.06.2012; Aktenzeichen 41 O 11/12) |
Tenor
Die weiter gehende Berufung der Beklagten gegen das am 6.6.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Bei dem Kläger handelt es sich um einen gerichtsbekannten Wettbewerbsverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört wie auch die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Ausweislich des vorgelegten Internetauszugs vom 26.9.2011 (Anlage K 1 zur Klageschrift) warb die Beklagte im Internet unter der Domain *Internetadresse* für das von ihr als Nahrungsergänzungsmittel vertriebene Produkt "Original Spiruletten mit Gerstengras". Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, nimmt der Kläger die Beklagte noch auf Unterlassung folgender Werbeaussagen in Bezug auf das vorgenannte Produkt in Anspruch:
1. "mit über sage und schreibe 7.000 Vitalstoffen",
2. "über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe",
3. "zwei der vitalstoffreichsten Lebensmittel",
4. "Gerstengras ist nach Meinung vieler Experten das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt",
5. "Weit über 3.000 Vitalstoffe finden sich in dieser Pflanze, und das in so hoher Menge wie in keiner anderen Landpflanze",
6. "So liefert Gerstengras beispielsweise fünfmal so viel Eisen wie Spinat, siebenmal so viel Vitamin C wie Orangen, doppelt so viel Kalzium und etwa 30 mal mehr von allen B-Vitaminen wie Milch und ... und ... und ...",
7. "Die Mikroalge Spirulina platensis besitzt über 4.000 natürliche Vitalstoffe und gehört damit ebenfalls zu den vitalstoffreichsten Pflanzen der Welt",
8. "Über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe gegeben Ihnen, insbesondere im Frühjahr, den nötigen Schwung für den Sommer",
"So aßen beispielsweise schon römische Gladiatoren Gerstengras, um ihre Stärke und Ausdauer zu unterstützen.",
9. "Gerstengras war bereits in biblischen Zeiten als Heilmittel bekannt ..."
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die vorstehend zu Ziff. 1. bis 7. genannten Werbeaussagen (Klageantrag zu I.1.) beinhalteten nährwertbezogene Angaben. Insoweit liege ein Verstoß gegen Art. 8 der Verordnung EG 1924/2006 (HCVO), hilfsweise gegen Art. 7 HCVO vor.
Hinsichtlich der vorstehend zu Ziff. 8. und 9. wiedergegebenen Werbeaussagen (Klageanträge zu I. 2.1. und 2.2.) gehe es um gesundheitsbezogene Angaben, die gegen Art. 10 HCVO verstießen. Es sei nicht ersichtlich, dass die dafür nach Art. 3 und 5 HCVO erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Es fehle auch ein Hinweis nach Art. 10 Abs. 2a) HCVO. Da diese Angaben nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert seien, sei auch ein Verstoß gegen §§ 11 Abs. 1 Nr. 2, 12 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 LFGB gegeben.
Der Kläger hat bestritten, dass in dem Produkt 7.000 komplett natürliche und unterschiedliche Vitalstoffe enthalten seien. Das sei jedenfalls nicht in einer Menge der Fall, die bei bestimmungsgemäßer Zufuhr eine ernährungsphysiologische Relevanz aufweise. Es sei unzutreffend, dass viele Experten Gerstengras als das vitalstoffreichste Lebensmittel der Welt ansähen. Die in dem Produkt enthaltenen Stoffe hätten auch nicht die Wirkung, "den nötigen Schwung für den Sommer" zu geben, also Stärke und Ausdauer zu unterstützen. Es gebe auch keine gesicherten Erkenntnisse, dass das Produkt ein Heilmittel sei.
Die Beklagte hat behauptet, in der Mikroalge Spirulina platensis seien über 4.000 unterschiedliche Vitalstoffe nachgewiesen worden, wie sich aus der gutachterlichen Stellungnahme des M-Instituts vom 16.9.2004 (Bl. 72 ff. d.A.) ergebe. Das M-Institut habe in einem weiteren Gutachten vom 16.3.2102 bestätigt, dass Gerstengras eine Kombination von über 4.000 Nähr- und Vitalstoffen enthalte. Es handele sich zudem nicht um nährwertbezogene Angaben. Soweit Aussagen zu der historischen Bedeutung von Gerstengras getätigt worden seien, seien diese zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand...