Verfahrensgang
AG Unna (Urteil vom 28.01.1998; Aktenzeichen 12 F 224/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Januar 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Unna wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Familiengericht die Beklagte für verpflichtet gehalten, gemäß § 1601 BGB ihren minderjährigen Kindern, dem am 23.12.1981 geborenen … und der am 04.12.1983 geborenen …, ab April 1997 den Mindestunterhalt nach der Tabelle der Hammer Leitlinien abzüglich hälftigem Kindergeldanteil, das heißt je 392,00 DM zu zahlen.
Die Beklagte kann sich gegenüber dem Unterhaltsanspruch nicht gemäß § 1603 Abs. 1 BGB auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Zwar verdiente sie nur monatlich bis Oktober 1997 bei der … vor Abzug von Werbungskosten 1.675,03 DM, bezog vom 09.10.1997 bis zum 08.04.1998 Arbeitslosengeld von 1.013,80 DM und erhält seither Arbeitslosenhilfe von 897,26 DM (207,06 DM × 52 Wochen: 12 Monate), jedoch ist ihr fiktiv ein Einkommen von mindestens 2.284,00 DM monatlich zuzurechnen, der Betrag, der unter Berücksichtigung des notwendigen Eigenbedarfs von 1.500,00 DM ausreicht, um den genannten Mindestunterhalt zu leisten.
Denn die Beklagte durfte sich weder mit der Tätigkeit im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme bei der … zufrieden geben, noch mit Bewerbungen nur im Umkreis ihres Wohnorts und nur solchen außerhalb ihres in … erlernten Berufs als Schlosserin. Wer minderjährigen Kindern zu Unterhalt verpflichtet ist, muß sich nämlich ernsthaft und intensiv um eine passende Arbeitsstelle bemühen und notfalls einen Umzug in Kauf nehmen. Die von der Beklagten dargestellte Arbeitsplatzsuche genügt diesen strengen Anforderungen nicht. Sie hat sich, wie sie im Senatstermin erläutert hat, weitgehend nur telefonisch beworben, obgleich sie sich aufgrund ihrer bescheidenen Deutschkenntnisse sagen mußte, daß eine persönliche Vorstellungen bei den potentiellen Arbeitgebern weitaus erfolgversprechend sein wurde. Ferner hat sie sich fast ausschließlich auf Dienstleistungen konzentriert, bei denen sie ihre Fähigkeiten und Erfahrungen als Schlosserin bzw. Stanzerin nicht einbringen konnte und Sprachschwierigkeiten im Regelfall eine größere Barriere darstellen als bei einem industriellen Arbeitsplatz. Schließlich hat sie es unterlassen, den großstädtischen Arbeitsmarkt zu testen, obgleich dieser für sie wegen der räumlichen Nähe … zum … sogar ohne Umzug erreichbar wäre.
Daß die am 03.11.1954 geborene, jetzt also 43jährige Beklagte auf Grund der vorherrschenden Arbeitslosigkeit keine reale Beschäftigungschance hat, kann nicht festgestellt werden. Eine solche Aussage läßt sich bei einem gesunden Arbeitnehmer mittleren Alters erst treffen, wenn er die Erwerbsmöglichkeiten durch Bewerbungen konkret ausgeschöpft hat.
Auch die Höhe des fingierten Einkommens steht dem Unterhaltsanspruch nicht im Weg. Der Senat geht auf Grund seiner Kenntnisse aus anderen Unterhaltsverfahren davon aus, daß mit einer Anlerntätigkeit in der Industrie ohne weiteres ein Monatseinkommen von 2.284,00 DM erzielbar ist.
Schließlich reduziert sich der Unterhaltsanspruch derzeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß den Kindern in ihrem Vater, dem Kläger, ein anderer (bar)unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne des § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB zur Verfügung steht, was zur Folge hätte, daß die Beklagte von ihrem – fiktiven – Einkommen nicht alle verfügbaren Mittel einsetzen, sondern ihr ein angemessener Betrag, nämlich 1.800,00 DM, verbleiben müßte.
Denn die Einkommensverhältnisse des Klägers sind so begrenzt, daß er neben der Betreuung der Kinder nicht zusätzlich zum Barunterhalt herangezogen werden kann. Ihm verbliebe nämlich seinerseits, wenn er den Barunterhalt für … und … leistete, nur ein Betrag im Bereich des angemessenen Selbstbehalts von 1.800,00 DM, so daß ein finanzielles Ungleichgewicht nicht feststellbar ist (vgl. dazu Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2 Rn. 274). Er verdient nämlich – auf der Basis von 1997 ermittelt – im Monatsdurchschnitt 3.582,82 DM (3.436,20 DM abzgl. 30,78 DM Nettoquote vermägenswirksame Leistungen zzgl. 177,50 DM anteilige Steuererstattung). Davon darf er die PKH-Rate aus dem Scheidungsverfahren von 90,00 DM, die Kreditrate für den während des Zusammenlebens angeschafften Pkw mit 511,00 DM und die Fahrtkosten mit 22,00 DM (6 Km × 220 Tage × 0,20 DM : 12; wegen der berücksichtigten Finanzierungskosten Kilometersatz gegenüber I.6. HLL reduziert) absetzen.
Somit verbleiben ihm zwar 2.959,92 DM, jedoch muß er davon noch für den Unterhalt der am 14.08.1977 geborene Tochter … aufkommen. Obwohl im Rahmen des § 1603 Abs. 2 BGB der Nachrang eines volljährigen Kindes gemäß § 1609 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen ist ...