Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 4 O 86/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.09.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Detmold teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.341,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs B mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...123.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über einen Neuwagen B.

Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin kaufte gem. Rechnung vom 03.05.2017 (Anlage K1) das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs B EU6 zu einem Kaufpreis von 59.946,42 EUR (netto 50.375,14 EUR).

Der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs wurde von der Beklagten entwickelt und hergestellt. Die Senkung der Stickstoffemissionen des Fahrzeugs erfolgt über die sog. Abgasrückführung und mittels eines SCR-Katalysators. Die Wirkungsweise des AGR-Systems wird in bestimmten Temperaturbereichen reduziert bzw. abgeschaltet (sog. Thermofenster).

Das Fahrzeug unterliegt einem behördlichen Rückruf wegen einer Aufheizstrategie, durch die in Abhängigkeit von verschiedenen Parametern festgestellt wird, ob sich das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand befindet. Ist dies der Fall, wird der SCR-Katalysator schnell auf Betriebstemperatur gebracht. Im realen Straßenbetrieb ist diese Funktion abgeschaltet und das Fahrzeug stößt dann ein Vielfaches an Schadstoffen aus. Ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 26.11.2018 (Anlage B5) freigegeben. Die Klägerin ließ das angebotene Software-Update an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durchführen.

Mit Schreiben vom 11.03.2020 forderten die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zur Erstattung des (Brutto-)Kaufpreises zzgl. Zinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 4 % ab Kaufzeitpunkt Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges unter Fristsetzung bis zum 25.03.2020 auf (Anlage K2). Mit Schreiben vom 17.03.2020 (Anlage K3) lehnte die Beklagte die Zurücknahme des Fahrzeugs ab.

Zunächst hat der Geschäftsführer der Klägerin mit der Klageschrift vom 25.03.2020, der Beklagten zugestellt am 28.04.2020, Schadensersatzansprüche geltend gemacht und diese u.a. darauf gestützt, dass im Prüfzyklus NEFZ eine sog. schadstoffmindernde Aufwärmstrategie anspringe, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiviert werde.

Mit Schriftsatz vom 10.08.2020, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugegangen am 14.08.2020, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass die Klägerpartei versehentlich falsch bezeichnet worden sei, und hat hilfsweise einen Parteiwechsel auf Klägerseite beantragt. Das Landgericht hat das Rubrum entsprechend geändert.

Nach teilweiser Klagerücknahme hat die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.239,96 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.05.2017 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges B mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...123;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.736,60 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz sowie ihrer Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch das angefochtene Urteil vom 28.09.2020 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für das streitgegenständliche Fahrzeug Zug um Zug gegen dessen Rückgabe und Rückübereignung zu. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, denn die Klägerin habe jedenfalls ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB durch die Verwendung des streitgegenständlichen Thermofensters nicht substantiiert dargelegt. Eine Beurteilung sei im hiesigen Fall in Ermangelung konkreten Vortrags der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin zur genauen Funktionsweise des Thermofensters ohnehin nic...

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