Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 4 O 463/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 03.05.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.002,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 16.275,19 EUR vom 26.11.2020 bis 27.04.2021, aus 15.180,25 EUR vom 28.04.2021 bis 13.07.2021, aus 20.622,27 EUR vom 14.07.2021 bis 21.07.2022 und aus 35.002,34 EUR seit dem 22.07.2022 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Z (FIN: ###4).
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vorbezeichneten Pkw in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs Z.
Der Kläger erwarb am 06.12.2017 von der Y GmbH & Co. KG in X das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs Z (EZ: 04.05.2016) zu einem Kaufpreis von 52.925,- EUR und mit einem km-Stand von 12.018. Auf den Kaufpreis erbrachte der Kläger eine Anzahlung von 11.925,- EUR und finanzierte den Restbetrag mit einem Darlehen der Z-Bank, Zweigniederlassung der W-Bank, über 48 Monate (Bl. 23 GA). Die Finanzierungskosten betrugen insgesamt 5.074,14 EUR. Der Kläger zahlte die monatlichen Raten von 550 EUR und während des Berufungsverfahrens auch die Schlussrate von 19.674,14 EUR. Der Darlehensvertrag sah ein sog. "verbrieftes Rückgaberecht" des Klägers vor.
In dem Fahrzeug ist ein 3.0 l V6 TDI Dieselmotor mit einer Leistung von 235 kW verbaut, der der Schadstoffklasse Euro 6 unterfällt und von der Beklagten entwickelt und hergestellt wurde. Die Abgasreinigung erfolgt u.a. mit einem sog. SCR-Katalysator zur Minimierung der entstehenden Stickoxide. Es erfolgt eine chemische Abgasreinigung mittels Zuführung von "AdBlue", einer wässrigen Harnstofflösung. Die chemische Reinigung reduziert sodann den Ausstoß von Stickoxiden. Das Fahrzeug ist von einer verpflichtenden behördlichen Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA) betroffen. Das KBA vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass in dem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Das in Abstimmung mit dem KBA entwickelte Software-Update wurde am 26.11.2018 freigegeben. Die Beklagte informierte den Kläger im Februar 2019 über die Rückrufanordnung. Der Kläger ließ das angebotene Software-Update noch vor der Klageerhebung im Februar 2019 aufspielen (Bl. 31 GA).
Mit seiner am 25.11.2020 zugestellten Klage beansprucht der Kläger von der Beklagten Schadensersatz. Er hat sein Klagebegehren in erster Instanz auf die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gestützt. Bei einer Restreichweite des AdBlue von 2.400 km werde die Reagenseindüsung in den SCR-Katalysator unter bestimmten Umständen reduziert. Das im Fahrzeug verbaute Thermofenster reduziere in unzulässiger Weise die Abgasrückführung bei Temperaturen unter 15 und über 33 Grad Celsius. Außerdem kämen in dem Fahrzeug mehrere Strategien (Strategien A bis C) zur Anwendung, die u. a. eine Aufheizstrategie beinhalteten, die nahezu ausschließlich unter Prüfstandbedingungen aktiv sei. In Kenntnis dieser Umstände hätte er, der Kläger, das Fahrzeug nicht erworben.
Der Kläger hat erstinstanzlich Schadensersatz in Form der bis dahin erbrachten Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 15.180,25 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag verlangt. Darüber hinaus hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Pkw begehrt.
Die Beklagte ist der Klage mit näheren Ausführungen entgegengetreten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz sowie ihrer Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Durch das angefochtene Urteil vom 03.05.2021 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stünden gegen die Beklagte keine deliktischen Schadensersatzansprüche zu. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich nicht aus § 826 BGB. Es könne dahinstehen, ob es sich bei dem unstreitig in dem Fahrzeug zum Einsatz kommenden sog. Thermofenster sowie dem "Abgasnachbehandlungssystem SCR-Katalysator" um unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne der maßgeblichen VO (EG) N...