Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 8 O 2079/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 13.09.2021, Az. 8 O 2079/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Gera ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Schadensersatz in Anspruch.

Er erwarb am 09.10.2017 von einem am Verfahren nicht beteiligten Autohaus einen gebrauchten VW Touran 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 15.000 EUR. Das Fahrzeug war erstmals zum 24.07.2013 zugelassen. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses wies es eine Fahrleistung von 75.500 km auf. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kaufvertrages wird auf die Kopie der Rechnung vom 09.10.2017 (Anlage K1, Anlageband Kläger) verwiesen.

In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten entwickelte und hergestellte, der Euro 5 Norm unterfallende Dieselmotor der Baureihe EA189 verbaut. Dessen Steuergerät war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchlief und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus (sog. Modus 1) wechselte. In diesem Modus fand eine Abgasrückführung mit niedrigerem Stickoxidausstoß statt, welche zur Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte der Schadstoffklasse Euro 5 führte und Grundlage der Typengenehmigung dieser Klasse war. Im normalen Fahrbetrieb (sog. Modus 0) war die Abgasrückführung mit der Folge geringer, dass höhere Stickoxidwerte erreicht wurden, die die Euro 5 Norm nicht erfüllten.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) erließ unter dem 15.10.2015 einen in Bestandskraft erwachsenen Bescheid mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung. Dabei stufte es die Abgassteuerung im Motor der Baureihe EA 189 als unzulässige Abschalteinrichtung ein und gab der Beklagten auf, die beanstandete Software im Wege eines Rückrufs der betroffenen Fahrzeuge zu beseitigen und die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Auch das streitgegenständliche Fahrzeug unterlag dem verpflichtenden Rückruf durch das KBA. Ein vom KBA freigegebenes Software-Update wurde in Folge - nach nunmehr im Berufungsverfahren unstreitigen Klägervortrag - bereits vor Erwerb des Fahrzeuges durch den Kläger auf dieses aufgespielt. Im Zuge des Software-Updates hat die Beklagte ein sog. Thermofenster appliziert, welches die Abgasrückführung außerhalb von bestimmten Außentemperaturen - nach erstinstanzlichen Vortrag des Klägers außerhalb eines Temperaturbereichs von 10 °C bis 32 °C - durch eine Software steuert bzw. sukzessive abschaltet. Bei Antragstellung auf Freigabe des Software-Updates hatte die Beklagte dem KBA die Applikationsrandbedingungen der Thermofenster mitgeteilt. In den gleichlautenden Freigabebestätigungen gab das KBA u.a. an, dass offen gelegte Thermofenster als zulässige Abschalteinrichtung einzustufen.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 19.12.2019 (Anlage K 19, Anlageband Kläger) forderte der Kläger die Beklagte zum Anerkenntnis ihrer Schadensersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher Schäden im Zusammenhang mit der behaupteten Implementierung unzulässiger Abschalteinrichtungen auf. Die Beklagte ging hierauf nicht ein.

Mit der erstinstanzlichen Klage begehrte der Kläger Schadensersatz in Höhe des von ihm aufgewendeten Kaufpreises von 15.000 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges nebst Rechtshängigkeitszinsen (Klageantrag zu 1), die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten (Klageantrag zu 2) sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1570,80 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen (Klageantrag 3). Seine Schadensersatzforderungen wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung stützte er dabei neben der ursprünglichen Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit Umschaltlogik - wie vom KBA beim Motortyp EA189 beanstandet - insbesondere auch auf die behauptete Implementierung einer neuen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines "Thermofensters" im Rahmen des Software-Updates sowie weiterer Folgen des Updates für Verschleiß, Verbrauch etc. des Fahrzeuges. Zudem ließen Messungen der DUH, wonach auch nach dem Software-Update der NOx- Ausstoß deutlich über den Grenzwerten liegt, auf die Installation einer Zykluserkennung schließen. Hierfür würde auch der erneute Rückruf des KBA vom 14.09.2020 hinsichtlich des VW EOS sprechen. Seiner Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten legte der Kläger einen Gegenstandswert von 15.000 EUR sowie eine 2,0-Geschäftsgebühr zu Grunde (s. Berechnung des Klägers, Klageschrift S. 49).

Wegen der Details des Vortrags des Klägers und auch der Beklagten sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge nimmt der Senat auf den Tatbestand des erstinstanzlic...

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