Verfahrensgang

LG Meiningen (Aktenzeichen 2 O 1179/20)

 

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 10.05.2022 - 7 U 771/21 - wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin eines Dieselmotors (EA288) auf Schadensersatz wegen der behaupteten Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

Er erwarb am 04.11.2014 über ein am Rechtsstreit nicht beteiligtes Autohaus einen Neuwagen PKW Audi A6 Avant 2.0 TDI 140 kW zu einem Kaufpreis von 54.299,76 EUR. Es wird insoweit auf die in den Akten befindliche Kopie der Rechnung vom 09.02.2015 (Anlage K1, Bl. 1 Anlageheft Kläger LG-Akte) sowie die Zulassungsbescheinigung Teil I (Anlage K2, Bl. 2 Anlageheft Kläger LG-Akte) verwiesen. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei dem Landgericht wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 103.740 km, am 27.04.2021 eine Laufleistung von 105.267 km und am 25.07.2022 eine Laufleistung von 127.043 km auf.

In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Motor des Typs EA288, Abgasnorm EU 6, eingebaut. Der Motortyp EA288 ist mit einem sog. Thermofenster ausgestattet, welches die Abgasrückführung außerhalb von bestimmten Außentemperaturen - wobei der Temperaturbereich zwischen den Parteien streitig ist - durch eine Software steuert bzw. sukzessive abschaltet. Daneben verfügt das Fahrzeug über einen SCR-Katalysator (Selektive katalytische Reduktion) zur Abgasbehandlung, der die Stickstoffemissionen durch Beimischung einer wässrigen Harnstofflösung (AdBlue) reduziert. Zudem ist in der Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeuges eine sog. Fahrkurve hinterlegt, die erkennt, ob das Fahrzeug einen Prüfzyklus durchfährt (auch Zykluserkennung).

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) betroffen.

Vorprozessual forderte die Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 15.12.2020 (Anlage K14, Bl. 59 Anlageheft Kläger LG-Akte) unter Angebot der Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges auf, Schadensersatz in Höhe des aufgewendeten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu leisten. Die Beklagte ging hierauf nicht ein.

Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, die Beklagte habe den Dieselmotor mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen entwickelt und in den Verkehr gebracht. So die Fahrkurvenerkennung mit einer dem Motortyp EA189 vergleichbaren Umschaltlogik verknüpft. Diese erkenne, wann sich das Fahrzeug in einem Abgastest befinde und leite im Rahmen der Abgasnachbehandlung nur in dieser Situation ausreichend AdBlue zu, um die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Im Realbetrieb auf der Straße werde weitaus weniger AdBlue eingespritzt, sodass es zu erhöhten Stickoxidausstößen komme. Auch simuliere das in der Motorensteuerung zum Einsatz kommende Thermofenster im Prüfstandmodus gezielt eine optimale Abgasrückführungsrate.

Mit seiner erstinstanzlichen Klage begehrte der Kläger Schadensersatz in Höhe des von ihm aufgewendeten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung auf Basis einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 300.000 km Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges. Zudem begehrte er die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeuges sowie die Erstattung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 787 EUR. Diesen Kosten legte der Kläger einen Gegenstandswert von 35.703,90 EUR sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zu Grunde bei Reduzierung der Geschäftsgebühr auf 0,65 infolge Klageauftrag (siehe Berechnung des Klägers in der Klageschrift, Bl. 37 LG-Akte).

Die Beklagte hat in Abrede gestellt, unzulässige Abschalteinrichtungen im Motor des Fahrzeugs des Klägers verbaut zu haben. Zu ihrer Rechtsverteidigung hat sie - näher ausgeführt und gestützt u.a. auf den Bericht "Untersuchungskommission V." - vorgebracht, das KBA habe den Dieselmotor EA 288 mehrfach und umfassend geprüft, und zwar nicht nur beim Durchfahren eines NEFZ auf dem Prüfstand, sondern auch im realen Fahrbetrieb auf der Straße. Kein anderer Motor irgendeines Herstellers sei so intensiv untersucht worden wie der EA288. Das KBA habe ihn - was als solches nicht im Streit der Parteien steht - in einem Zeitfenster von mehr als fünf Jahren in drei Phasen (2015/2016, 2017-2019 und 2019/2020) untersucht. Im Ergebnis der eingehenden Überprüfung habe das KBA festgestellt, dass es beim EA288 - und zwar bezogen auf alle Fahrzeugtypen und Motoraggregate - keine unzuläss...

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