Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 30.07.2021; Aktenzeichen 4 O 133/21) |
Tenor
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Berufung nach dem derzeitigen Beratungsstand des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch weder eine grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Berufungsurteil; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Nrn. 2 bis 4 ZPO).
2. Deshalb beabsichtigt der Senat, gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss eine Entscheidung mit dem folgenden Inhalt zu treffen:
Die Berufung des Klägers gegen das am 30. Juli 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf bis zu 16.000,00 EUR festgesetzt.
3. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu dieser beabsichtigten Beschlussfassung binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem Dieselskandal auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 16. Juli 2016 ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ VW Golf Sportsvan 1.6 TDI 81 kW (110 PS) mit einer Laufleistung von 25.133 km zum Preis von 17.950,00 EUR. Nach den Angaben in der Zulassungsbescheinigung des Fahrzeugs datieren die Typgenehmigung vom 5. März 2015 und die Erstzulassung vom 8. Juni 2015.
In dem Fahrzeug ist ein nach Euro 6 klassifizierter von der Beklagten entwickelter und produzierter Dieselmotor mit der werksinternen Bezeichnung EA 288 verbaut. Zur Reduzierung der entstehenden Emissionen kommt neben einem Oxidationskatalysator und einem Dieselpartikelfilter (DPF) die Abgasrückführungstechnik (AGR) zum Einsatz. Ferner findet eine Abgasnachbehandlung mittels eines NOx-Speicherkatalysators (NSK) statt.
Bei diesem Aggregat handelt es sich um die Nachfolgegeneration des ebenfalls von der Beklagten entwickelten Motortyps EA189. Bei diesem älteren Motortyp war eine "Umschaltlogik" in der Steuerungssoftware hinterlegt, die den Prüfstandsbetrieb bei der Typzulassung erkannte und nur in diesem Fall die NOx-Grenzwerte einhielt, während sich die Motorsteuerung außerhalb des Prüfstandsbetriebs in einem anderen Modus befand, in dem die NOx-Grenzwerte überschritten wurden.
Am 22. September 2015 sah die Beklagte sich zu einer Information der Öffentlichkeit veranlasst, dass bei den Motoren vom Typ EA 189 "Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software" festgestellt worden seien und es hinsichtlich der Abgaswerte "eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb" gebe.
Diese Mitteilung der Beklagten führte nicht nur zu einer breiten Medienberichterstattung unter Schlagzeilen wie "Diesel-Gate", "Dieselskandal", "VW-Abgasskandal", sondern auch dazu, dass der seinerzeit amtierende Bundesverkehrsminister die Untersuchungskommission "Volkswagen" einsetzte und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit einer Überprüfung beauftragte, ob bei den auf dem Markt befindlichen Dieselfahrzeugen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kamen, die im Sinne der VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässig waren.
Das KBA wertete die bei den EA189-Motoren verwendete Applikation als unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete für die bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge an, dass im Zuge eines verpflichtenden Rückrufs ein vom KBA freigegebenes Software-Update aufgespielt werden musste.
Im Zuge der behördlichen Überprüfungen machte die Beklagte gegenüber dem KBA auch Angaben zu den Strategien der Abgasbehandlung bei den neueren EA288-Motoren. Die entsprechenden Applikationsrichtlinien wurden dem KBA Ende des Jahres 2015 übersandt. Darüber hinaus erläuterte die Beklagte gegenüber dem KBA in einem "Technik-Workshop" im Januar 2016 die Beeinflussung der Abgasrückführungsrate durch bestimmte Außentemperaturen ("Thermofenster").
Aus behördlicher Sicht ergaben sich weder aus den seitens der Beklagten mitgeteilten Informationen noch aus den durchgeführten Überprüfungen verschiedener mit den EA288-Motoren ausgestatteter Fahrzeuge Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
Der Kläger geht gleichwohl davon aus, dass auch der in seinem Fahrzeug verbaute Dieselmotor mit unzulässigen Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet und die Beklagte ihm deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Der Kläger hat dazu erstinstanzlich insbesondere ausgeführt, dass nach den eigenen Angaben der Beklagten in ihren Applikationsrichtlinien zu den EA288-Motoren eine Funktion in der Motorsteuerungssoftware hinterlegt sei, mit der bei Erkennung der Fahrkurve eines NEFZ-Prüflaufs die Abgasnachbehandlung anders angesteuer...