Entscheidungsstichwort (Thema)

Degenerative Vorschäden und O-Beine als Krankheit oder Gebrechen

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 18.12.2008; Aktenzeichen 2 O 436/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.12.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.611,14 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt aus einer bei der Beklagten genommenen Unfallversicherung eine Restzahlung von 9.611,14 EUR nebst Zinsen.

Am 29.7.2004 stolperte er beim Treppensteigen und verdrehte sich das rechte Knie. Nach seiner Behauptung stolperte er am 10.8.2004 erneut und verdrehte sich wiederum das Knie.

Die Beklagte zahlte nach Einholen eines Gutachtens des Orthopäden Z1 eine Invaliditätsleistung von 4.889,57 EUR, ausgehend von einer Beeinträchtigung des rechten Beins um 3/20 und einer Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen (§ 8 der vereinbarten AUB) i.H.v. 50 %.

Der Kläger war mit dieser Beurteilung nicht einverstanden und machte auch von seinem Recht auf Nachbemessung Gebrauch. Die Beklagte holte im April 2007 ein Gutachten des Orthopäden Professor Dr. L ein. Dieser bemaß die Invalidität mit 2/7 Beinwert; wegen degenerativer Vorschäden im Knorpel und einer O-Bein-Fehlstellung nahm er eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen zu 75 % an. Die Beklagte machte sich diese Beurteilung zu eigen und zahlte einen weiteren Betrag von 375,09 EUR.

Die Invaliditätsbemessung ist auch nach Auffassung des Klägers zutreffend. Er wendet sich aber gegen die Annahme einer Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen.

Das LG hat die Klage nach Einholen eines Gutachtens des Orthopäden und Chefarztes einer Klinik für Allgemeine Orthopädie Dr. D abgewiesen. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter; er wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz.

Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung. Auch sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Sachverständige Dr. D hat sein Gutachten vor dem Senat mündlich erläutert. Hierzu wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.

II. Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 9.611,14 EUR nebst der begehrten Rechtshängigkeits-Zinsen.

1. Unstreitig - und auch von dem Sachverständigen Dr. D so bestätigt - beträgt die Invalidität 2/7 Beinwert.

2. Diese ist, wie auch das LG angenommen hat, (mit-) verursacht durch den Unfall vom 29.7.2004 (und möglicherweise den vom Kläger behaupteten weiteren Unfall vom 10.8.2004). Eine solche (Mit-)Kausalität genügt zur Begründung des Leistungsanspruchs (vgl. nur Knappmann, in: Prölss/Martin, 27. Aufl., § 7 AUB 94 Rz. 1; vgl. auch § 8 AUB).

Die (Mit-)Kausalität des Unfalls (der Unfälle) für das weitere Geschehen (Schwellung, vier Arthroskopien, Operation und Teilgelenksersatz, Invalidität) steht aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. D, an dessen Erfahrung und Sachkunde keine Zweifel bestehen, fest. Wenn man den Unfall (die Unfälle) hinweg denkt, hätte sich das Geschehen nicht so entwickelt und wäre die Invalidität so nicht eingetreten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten haben auch die Vorgutachter Z1 und Professor Dr. L eine (Mit-)Kausalität des Unfalls (der Unfälle) für die eingetretene Invalidität bejaht. Lediglich bei einzelnen Diagnosen hat Professor Dr. L eine unfallunabhängige Entwicklung angenommen, die Invalidität aber gleichwohl insgesamt auch auf den Unfall zurückgeführt. Es steht fest, dass ohne den Unfall (die Unfälle) die Invalidität insgesamt so nicht eingetreten wäre.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass, wie der Sachverständige Dr. D ausgeführt hat, bei dem Kläger aufgrund der degenerativen Vorschäden über kurz oder lang auch ohne Unfall gewisse Beeinträchtigungen aufgetreten wären. Soweit sich die Beklagte hierauf stützt, macht sie einen hypothetischen (Reserve-)Kausalverlauf geltend. Die Beweislast dafür liegt nach allgemeinen Grundsätzen bei ihr (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 2009, vor § 249 Rz. 107). Es ist aber jedenfalls offen, ob zu dem maßgeblichen Zeitpunkt drei Jahre nach dem Unfall (vgl. § 11 Abschnitt IV der AUB) auch ohne Unfall eine Beeinträchtigung eingetreten wäre.

Ob und inwieweit der vom Kläger behauptete zweite Unfall am 10.8.2004 mitursächlich ist, bedarf keiner Aufklärung. Auch dieser ist versichert (vgl. dazu noch unten 4). Für die medizinische Beurteilung ist es, wie der Sachverständige Dr. D erklärt hat, unerheblich, ob am 10.8.2004 ein zweiter Unfall, wie ihn der Kläger geschildert hat, stat...

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