Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 26.03.2009; Aktenzeichen 4 O 388/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Rechts-mittel im Übrigen - das am 26.3.2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.190,12 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.8.2007 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 603,93 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 70 % die Beklagten und zu 30 % die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin wollte am Nachmittag des 7.6.2007 mit ihrem Pkw Mercedes E 290 T nebst angehängtem Pferdetransporter in T von der R-Straße nach links in die Grundstückszufahrt zu einem Reiterhof einbiegen. Ihr kam der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Motorrad entgegen; er durchfuhr eine Linkskurve. Im Einmündungsbereich stieß er gegen die Beifahrerseite des Pkw.

Mit der Klage hat die Klägerin auf 100 %-Basis den Ersatz des an ihrem Fahrzeug entstandenen Schadens nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das LG hat Zeugen vernommen und ein unfallanalytisches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. S eingeholt, welches der Sachverständige vor dem LG weiter mündlich erläutert hat.

Es hat sodann auf eine Haftungsquote des Beklagten von 30 % erkannt und im Übrigen - unter Abzügen zur Höhe - die Klage wegen überwiegender Verantwortlichkeit der Klägerin abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe den Unfall durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung (mindestens 58 km/h bei zugelassenen 50 km/h) verschuldet; der überwiegende Verantwortungsanteil falle jedoch der Klägerin zur Last, weil sie ihren Sorgfaltspflichten beim Abbiegen in ein Grundstück (äußerste Sorgfalt) nicht nachgekommen sei; gegen sie spreche der Beweis des ersten Anscheins; dass der Beklagte zu 1) schneller als 58 km/h gefahren sei, sei nicht bewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin will nach wie vor eine Verurteilung der Beklagten auf 100 %-Basis erreichen. Die Beklagten erstreben die vollständige Abweisung der Klage. Sie greifen mit näheren Ausführungen das Urteil des LG an.

Der Senat hat die Parteien angehört und weiter Beweis erhoben durch erneute Vernehmung der Zeugen. Er hat ferner das Gutachten durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. S weiter erläutern lassen. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters Bezug genommen.

II. Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Im Übrigen ist sie - ebenso wie die Berufung der Beklagten - unbegründet.

1. Gemäß §§ 7,17 StVG, § 823 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. haben die Beklagten den beim Unfall entstandenen Schaden nach einer Haftungsquote von 70 % zu ersetzen, denn die Betriebsgefahr des Motorrades war durch eine unfallursächliche schuldhafte Geschwindigkeitsüberschreitung des Beklagten zu 1) deutlich gesteigert. Auf Seiten der Klägerin lässt sich ein schuldhafter Fahrfehler nicht feststellen. Die hohe Betriebsgefahr ihres an ungünstiger Stelle nach links in eine Grundstückszufahrt einbiegenden Gespanns macht jedoch eine Anspruchskürzung um 30 % erforderlich.

1.1 Aufgrund der überzeugenden Erläuterung des in erster Instanz erstatteten Gutachtens durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. S ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beklagten zu 1) eine unfallursächliche Überschreitung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zur Last fällt, wobei seine Bremsausgangsgeschwindigkeit in einem Rahmen von 58 km/h bis 71 km/h eingegrenzt werden kann. Der Sachverständige hat sich eingehend mit den Einwendungen der Beklagten gegen sein erstinstanzliches Gutachten, die insb. die zugrunde zu legenden Verzögerungswerte betrafen, auseinander gesetzt. Aufgrund seiner Ausführungen ist auch der Senat davon überzeugt, dass hier nicht lediglich die geringeren Verzögerungswerte anzusetzen sind, die dann zu gelten haben, wenn nur die Hinterradbremse, nicht aber die Vorderradbremse eingesetzt wird. Die Länge der Bremsspur und die bedrohliche Unfallsituation sprechen dafür, dass der Beklagte zu 1) nicht nur genügend Zeit, sondern auch massiven Anlass hatte, so viel Bremskraft wie möglich wirksam werden zu lassen. Selbst wenn er nur in seiner Freizeit Motorrad fährt, so verfügte er doch, da er seit vielen Jahren über eine Fahrerlaubnis für Motorräder verfügt und vor dem Unfall bereits mehrere Maschinen hintereinander besessen hat, über so viel Erfahrung, dass nicht angenommen werden kann, er habe sich in der höchst bedrohlichen Unfallsituation trotz entsprechender Abwehrzeit lediglich auf den Einsatz der Hinterradbremse beschränkt. Seine Bremsausgangsgeschwindigkeit lag demnach jedenfalls bei mindestens 58 km/h. Die Überschreitung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwind...

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