Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Erwerbsobliegenheit bzw. Leistungsfähigkeit eines kranken und inhaftierten Unterhaltsschuldners
Leitsatz (amtlich)
1. Während der Zeit der Inhaftierung eines Unterhaltsschuldners steht sein Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG NRW für Unterhaltsleistungen nicht zur Verfügung.
2. Hausgeld gem. § 47 StVollzG kann das unterhaltsrelevante Einkommen des Verpflichteten ausnahmsweise steigern.
3. Bei der Bemessung des notwendigen Selbstbehaltes eines inhaftierten Unterhaltsschuldners ist zu berücksichtigen, dass er freie Unterkunft und Verpflegung genießt. Die gesparte Warmmiete ist gem. Ziff. 21.2 HLL mit monatlich 360 EUR zu bewerten. Die eingesparten Verpflegungskosten sind mit monatlich 200 EUR zu schätzen.
Normenkette
StVollzG NRW § 47; StVollzG NRW § 51; ZPO § 323 Abs. 3 S. 2; BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2, § 1610; StVollzG §§ 47, 51
Verfahrensgang
AG Brakel (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen 9 F 118/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.2.2010 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Brakel teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Urteil des AG - Familiengericht - Brakel vom 7.5.2008 unter dem Az.: 9 F 113/06 wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger ggü. der Beklagten zur Leistung von Kindesunterhalt zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin
a) für den Zeitraum zwischen dem 24.9.2008 und dem 25.10.2009 i.H.v. monatlich 0 EUR, sowie
b) für den Zeitraum zwischen dem 26.10.2009 und dem 30.11.2009 i.H.v. monatlich 127 EUR
verpflichtet ist.
Im Übrigen bleibt das Urteil des AG - Familiengericht - Brakel vom 7.5.2008 unter dem Az.: 9 F 113/06 aufrechterhalten.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Berufung des Klägers im Übrigen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz fallen dem Kläger zu 63 % und der Beklagten zu 37 % zur Last.
Die Kosten der zweiten Instanz haben der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 2.611 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Reduzierung von Kindesunterhalt ab dem 1.9.2008.
Der Kläger ist der nichteheliche Vater der Beklagten, welche im Haushalt der Kindesmutter betreut und versorgt wird.
Aus einer ersten Ehe des Klägers sind ein inzwischen etwa 18-jähriger Sohn und eine etwa 11-jährige Tochter hervorgegangen. Diese Ehe wurde im Jahr 1996 geschieden.
Nach seiner Ehescheidung lebte der Kläger eine Zeit lang mit der Mutter der Beklagten zusammen. Aus dieser Beziehung stammt die am 4.2.1999 geborene Beklagte.
Im Jahr 2004 heiratete der Kläger seine zweite Ehefrau. Gemeinsame Kinder sind während dieser Ehe nicht geboren worden.
Im Februar 2007 wurde beim Kläger ein Diabetesmellitus Typ II diagnostiziert. Um eine medikamentöse Behandlung zu vermeiden, reduzierte er sein Körpergewicht innerhalb weniger Wochen um 20 kg.
Am 4.4.2007 erlitt der Kläger in F einen Verkehrsunfall, bei dem seine zweite Ehefrau als Beifahrerin verstarb.
Einerseits zog sich der Kläger physische Verletzungen, insbesondere Brüche der Rippen, des Nasenbeins und der Hüfte zu. Andererseits sieht er die Ursache für das Ableben seiner Ehefrau in erster Linie bei sich selbst, wodurch er in erheblichem Maße psychisch belastet ist.
Seine Entlassung aus dem Krankenhaus in M erfolgte im Mai/Juni 2007. Danach schloss sich ein mehrwöchiger Reha-Aufenthalt an.
Im Jahr 2008 heiratete der Kläger zum dritten Mal. Aus dieser Ehe ist am 19.5.2009 sein jüngster Sohn U hervorgegangen.
Seit dem 26.10.2009 befindet sich der Kläger aufgrund einer Verurteilung wegen Sexuellen Missbrauchs von Kindern in Strafhaft. Gegenwärtig ist er in der JVA C2, T-Straße, C2 untergebracht. Er lebt dort in der Außenstelle Q, Q-Weg, H.
Nach dem gegenwärtigen Stand des zugrunde liegenden Strafverfahrens ist nicht davon auszugehen, dass er vor Ende des Jahres 2011 entlassen werden wird.
Durch Urteil des AG - Familiengericht - Rahden vom 20.1.2000 (Az.: 7 F 147/99) ist die Vaterschaft des Klägers für die Beklagte festgestellt worden. Zugleich ist der Kläger verurteilt worden, an die Beklagte Kindesunterhalt in Höhe des Regelunterhaltes bzw. des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung in der jeweils gültigen Fassung in der jeweiligen Altersstufe abzgl. von 125 DM Kindergeld zu zahlen.
Durch das Urteil des AG - Familiengericht - Brakel vom 7.5.2008 (Az.: 9 F 113/06) in Verbindung mit dem vorangegangenen Versäumnisurteil des AG - Familiengericht - Brakel vom 30.1.2008 (ebenfalls Az.: 9 F 113/06) ist die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Kindesunterhalt mit Wirkung ab dem 1.9.2006 auf monatlich 247 EUR abgeändert worden.
Damals bezog der Kläger Krankengeld i.H.v. monatlich 1.285,80 EUR. Dieser Bezug endete am 25.6.2008.
Inzwischen erhält der Kläger rückwirkend seit dem 1.11.2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. monatlich zunächst 728,62 EUR.
Erstinstanzlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, aufgrund seiner Verrentung nicht länger zur Zahlung des titul...