Leitsatz (amtlich)
1. Auch das Schweigen der Satzung einer GmbH zu einer – nach den tatsächlichen Verhältnissen fern liegenden – Zweckverfolgung der Gesellschafter kann ein ausreichender, aus ihrem Inhalt gewonnener Anhaltspunkt für ihre Auslegung sein.
2. Die Satzungsklausel einer GmbH, die abw. von § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG dem Gesellschafter die Mitwirkung an einem Beschluss erlaubt, der ein ihm ggü. vorzunehmendes Rechtsgeschäft betrifft, ist jedenfalls insoweit wirksam, als dieses Rechtsgeschäft die – nicht durch einen wichtigen Grund veranlasste – Abänderung des zwischen ihm und der GmbH bestehenden Geschäftsführerdienstvertrags beinhaltet.
Normenkette
BGB § 133; GmbHG § 47 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 7 O 47/01) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 23.11.2001 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels werden den Klägern auferlegt, die auch die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Streithelferinnen der Beklagten zu tragen haben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger zuvor in derselben Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) (fortan nur die Kläger) sind Minderheitsgesellschafter der Beklagten. Die Parteien streiten zum einen um die Wirksamkeit einer am 29.1.2001 mit 76 % der Geschäftsanteile beschlossenen Satzungsänderung der Beklagten, die ein – von den Klägern als in der Ursprungssatzung enthalten reklamiertes – Ankaufsrecht der fünf Mitgesellschafter für den Fall der Vererbung eines Geschäftsanteils untereinander ausschließt, zum anderen um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses vom selben Tag, mit dem die Mutter von den übrigen Gesellschaftern bevollmächtigt wird, mit dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter einen Dienstvertrag über dessen Geschäftsführung für die Beklagte abzuschließen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz, insb. des Wortlauts der einschlägigen Satzungsbestimmungen, wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
§ 12 der Ursprungssatzung lautet:
„Vererbung
1. Soweit im Erbfalle die Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen nicht auf Abkömmlinge übergehen, steht den Mitgesellschaftern ein Ankaufsrecht in entspr. Anwendung der Regelung des § 11 Abs. 2 dieses Vertrags zu; …”
Der in Bezug genommene § 11 der Satzung lautet auszugsweise:
„Abtretung
Unbeschadet des vorstehenden Zustimmungserfordernisses steht bei einer Veräußerung eines Geschäftsanteils oder eines Teilgeschäftsanteils den übrigen Gesellschaftern einzeln das Vorkaufsrecht zu, sofern es sich nicht um die Veräußerung an einen volljährigen Abkömmling handelt.”
§ 8 der Satzung lautet in Abs. 4:
„Soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, dürfen die von der Beschlussfassung betroffenen Gesellschafter mitstimmen. Dies gilt insb. abw. von § 47 Abs. 4 GmbHG dann, wenn der betreffende Gesellschafter durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll.”
Mit der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
Zu dem Änderungsbeschluss bezüglich des Ankaufsrechts bei Vererbung eines Geschäftsanteils (§ 12 Ziff. 1 der Satzung) halten die Kläger an ihrer Auffassung fest, es handele sich um ein sog. relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht, in das nur mit – hier mangelnder – Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter eingegriffen werden könne. Der körperschaftliche Charakter der genannten Satzungsklausel erfordere – wie vom LG im Ansatz erkannt – für ihre Auslegung die Anlegung eines rein objektiven, Umstände außerhalb der Satzung außer Acht lassenden Maßstabs. In diesem Lichte stelle der angegriffene Änderungsbeschluss keine Klarstellung, sondern eine inhaltliche Änderung zum Nachteil der Kläger dar. Schon der Wortlaut der Klausel zwinge eindeutig zu der Auslegung, dass mit „Abkömmlinge” die Nachkommen des jeweiligen Gesellschafter-Erblassers, nicht nur des Gründungsgesellschafters F.K. gemeint seien. Insoweit bestehe kein Unterschied zum Abkömmlingsbegriff in § 11 der Satzung, der auch von der Gegenseite i.S.d. Auslegung der Kläger verstanden werde. In dieselbe Richtung weise Sinn und Zweck des § 12, der das Ziel, ein Abwandern der Geschäftsanteile aus der geraden Linie der Abkömmlinge des verstorbenen Gesellschafters zu verhindern und im Gesellschafterkreis der Familie K. zu halten, unproblematisch mit der Einräumung des Ankaufsrechts der verbliebenen Gesellschafter erreiche. Die angegriffene Satzungsänderung erreiche das dauerhaft nicht, stelle vielmehr eine einzelfallbezogene Regelung dar, mit der unter substanzieller Beschränkung der Rechte der übrigen Mitgesellschafter eine Vererbung der jeweiligen Geschäftsanteile zwischen den kinderlosen Gesellsch...