Leitsatz (amtlich)
Eine Mundspüllösung kann ein zulassungspflichtiges Funktionsarzneimittel sein.
Normenkette
UWG §§ 8, 3, 4 Nr. 11; AMG §§ 2, 21; HWG § 3a
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen 18 O 13/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.4.2013 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A. Beide Parteien vertreiben Mundspüllösungen, die Chlorhexidin enthalten.
Die Beklagte vertreibt u.a. die Mundspüllösung Q, die Chlorhexidin in einer Konzentration von 0,12 % enthält, und zwar als kosmetisches Mittel. Das Mittel wird als Mundspülung zur Zahnpflege bezeichnet, das bakteriellen Zahnbelag reduziert und dessen Neubildung hemmt. Wegen der Einzelheiten der hierbei genutzten Verpackung und Umverpackung wird auf die im erstinstanzlichen Tenor enthaltene Abbildung derselben Bezug genommen. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Produkt Q besteht nicht.
Die Klägerin, die Mundspüllösungen von 0,1 % und 0,2 % unter der Marke D als zugelassene Arzneimittel in den Verkehr bringt, mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 31.10.2006 (Anlage K18) erfolglos ab. Sie machte hierbei geltend, dass die von der Beklagten vertriebene Mundspüllösung ein nicht zugelassenes Arzneimittel sei, weil sie pharmakologisch wirke und in der Lage sei, physiologische Körperfunktionen beim Menschen signifikant zu beeinflussen. Denn sie sei in der Lage, u.a. Gingivitis zu heilen oder zu lindern. Die Klägerin forderte die Beklagte insoweit zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten i.H.v. 1.880,30 EUR auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15.11.2006 (Anlage K19) ab.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren im Klagewege weiter und verlangt gleichzeitig die Erstattung der Abmahnkosten, wobei sie sich eine 0,65-Gebühr anrechnen lässt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Präparat Q® 0,12 % Mundspülung zu werben und/oder dieses Präparat zu vertreiben, solange es nicht als Arzneimittel zugelassen ist, insbesondere wenn dies wie in der im Urteilstenor abgebildeten Form erfolgt. Es hat die Beklagte ferner verurteilt, an die Klägerin 950,15 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Klage sei begründet.
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folge aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 21 AMG.
Der Vertrieb eines Produktes, das als Arzneimittel einzustufen sei, ohne die notwendige arzneimittelrechtliche Zulassung, sei unlauter.
Bei dem streitgegenständlichen Produkt handele es sich um ein Arzneimittel.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG seien Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden könnten, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG entspreche dabei Art. 1 Nr. 2b der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 6.11.2001.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der Begriff der pharmakologischen Wirkung aus Art. 1 Nr. 2b der Richtlinie 2001/83/EG - unter Berücksichtigung der Leitlinie zur Abgrenzung der Richtlinie 76/768 über kosmetische Mittel von der Richtlinie 2001/83 über Arzneimittel "Guidance Document on the demarcation between the Cosmetic Products Directive 76/768 and the Medicinal Products Directive 2001/83 as agreed between the Commission Services and the competent authorities of Member States" - dahin auszulegen, dass vom Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung einer Substanz im Sinne dieser Bestimmung nicht nur dann ausgegangen werden könne, wenn es zu einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen dieser Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders komme, sondern dass eine Wechselwirkung zwischen dieser Substanz und einem beliebigen im Körper des Anwenders vorhandenen zellulären Bestandteil genüge. In diesem Sinne wirke das hier streitgegenständliche Produkt der Beklagten aufgrund seiner 0,12%igen Chlorhexidin-Konzentration pharmakologisch. Unstreitig störe Chlorhexidin in der vorliegenden Konzentration zumindest die bakterielle Zellwand, so dass sich die Bakterien nicht vermehren könnten. Chlorhexidin wirke damit auf einen zellulären Bestandteil im Körper ...