Leitsatz (amtlich)

1. Eine regelmäßig ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellende Regulierungszusage eines Versicherers liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Haftpflichtversicherer keine Einwendungen zum Haftungsgrund erhebt, einen Teilbetrag des geforderten Schadens ohne Leistungszweckbestimmung zahlt und die Vereinbarung eines Gesprächstermins mit dem Ziel einer abschließenden Regulierungsvereinbarung anbietet.

2. Wer sich als Kunde in einem Gang eines Supermarkts rückwärts bewegt (hier: Rückwärtsschritt, weil ein Arbeitsgerät mit einer Palette den Weg versperrt) ohne sich zuvor umzuschauen, handelt nicht sozialadäquat, sondern schuldhaft, weil er stets mit dort befindlichen anderen Kunden rechnen muss.

3. Passiert ein Kunde im Supermarkt einen anderen Kunden in dessen unmittelbarer Nähe, muss er auch mit dessen etwaigen Rückwärtsbewegungen rechnen.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 19.10.2015; Aktenzeichen 7 O 2/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.10.2015 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % aller gegenwärtigen und zukünftigen materiellen Schäden sowie alle zukünftigen nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund des Unfalls vom 07.04.2012 im K unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die weiter gehende Klage der Klägerin bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 92 % und die Beklagte 8 %.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche nach einem Sturz aufgrund eines Körperkontaktes mit der Beklagten beim Einkaufen am 07.04.2012 - dem Samstag vor Ostern - gegen 15.00 Uhr im Supermarkt K geltend.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich auf die Feststellung der Ersatzpflicht gegenwärtiger Schäden beziehe, da diese bezifferbar seien. Hinsichtlich der Schmerzensgeldforderung liege im Schriftsatz vom 05.01.2015 (Bl. 283 d.A.) eine konkludente Rücknahme der zwischenzeitlichen zulässigen Klageerweiterung. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Aus der vorgerichtlichen Zahlung sowie der Korrespondenz ergebe sich kein Schuldanerkenntnis. Zudem fehle es am Nachweis des Haftungsgrundes. Denn die Klägerin habe ein Verschulden der Beklagten nicht nachgewiesen. Sie habe nicht mehr bewiesen als das von der Beklagten eingeräumte leichte Anrempeln. Solche Berührungen seien jedoch nicht gänzlich vermeidbar und als sozialüblich hinzunehmen. Auf Basis der persönlichen Anhörung der Parteien habe sich der Richter keine weiter gehende Überzeugung zu bilden vermocht. Dass jemand in einem Supermarkt einen Rückwärtsschritt mache, sei hinzunehmen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt, das am 19.10.2015 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Dortmund, Az. I-7 O 2/13, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein über bereits gezahlte 2.800,- EUR hinausgehendes weiteres, in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2012 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.150,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.11.2012 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund des Unfalles vom 07.04.2012 im K zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind;

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 891,31 EUR an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt - abgesehen von der Frage der konkludenten Klagerücknahme - das Urteil des LG mit näheren Ausführungen.

Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Ehemannes der Klägerin als Zeugen. Zudem hat der Sachverständige Dr. S sein erstinstanzlich erstattetes Gutachten gegenüber dem Senat erläutert und ergänzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk des Berichterstatters über den Senatstermin vom 06.06.2016 Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat lediglich hinsichtlich des Antrages zu 3) teilweise Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen, weil die berechtigten Ansprüche der Klägerin durch die vorgerichtliche Zahlung der hinter der Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung in Höhe von 2.800,- EUR erloschen sind.

1. Entgegen ...

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