Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 468/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.10.2021 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld (18 O 468/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten für zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Die Klage ist abzuweisen.
1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Auszahlung der Risikolebensversicherung an die vom Erblasser bestimmte Bezugsberechtigte zu.
Bei einem - wie vorliegend - widerruflichen Bezugsrecht erlangt der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung mit dem Eintritt des Versicherungsfalles (§ 159 Abs. 2 VVG), mithin mit dem Tod des Erblassers. Mit Eintritt des Versicherungsfalles spaltet sich der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers (des Erblassers) ab und wächst dem Bezugsberechtigten endgültig und unwiderruflich zu (§ 331 Abs. 1 BGB). Die vom Erblasser zu Lebzeiten begründete Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung verschafft dem Begünstigten - wie auch das Landgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend erkannt hat - im Versicherungsfall eine im Deckungsverhältnis jedenfalls insoweit unentziehbare Rechtsstellung, als die Erben des Versicherungsnehmers die Bezugsberechtigung nicht mehr ändern oder widerrufen können (BGH, Urteil vom 21.05.2008, IV ZR 238/06, VersR 2008, 1054, Rn. 20 m.w.N.).
Ausschließlich nach dem Deckungsverhältnis entscheidet sich, ob, wann und in welchem Umfang der Bezugsberechtigte den Versicherungsanspruch gegen den Versicherer erwirbt. Aufgrund der wirksamen Bezugsberechtigung bleibt der Versicherer in dem vom Valutaverhältnis zu trennenden Deckungsverhältnis zwischen ihm und dem Erblasser grundsätzlich zur Auszahlung der Versicherungsleistung an den Bezugsberechtigten verpflichtet, auch wenn der Bezugsberechtigte im Verhältnis zu den Erben des Versicherungsnehmers die Versicherungsleistung nicht behalten darf; diese Frage beantwortet (ausschließlich) das Valutaverhältnis (BGH, Beschluss vom 10.04.2013, IV ZR 38/12, VersR 2013, 1029, Rn. 9).
Was gilt, wenn aufgrund des Valutaverhältnisses offenkundig die Leistung dem Bezugsberechtigten nicht zusteht, muss der Senat hier nicht entscheiden (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 24.04.2019, 20 U 135/18, VersR 2020, 89 m.w.N.). Denn eine solche offenkundige Rechtslage bestand selbst dann nicht, wenn man im Schreiben des Beerdigungsinstituts vom 11. September 2017 einen Widerruf des Auftrags zur Übermittlung des Schenkungsangebots sieht. Die Klägerin verkennt insoweit, dass das Valutaverhältnis schon vor dem Versicherungsfall zustande kommen kann (vgl. insoweit Schneider in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. 2021, § 159 Rn. 28). Dies zu prüfen, ist der Versicherer, den grundsätzlich nur das Deckungsverhältnis zu interessieren hat, nicht aufgerufen.
Eine Pflichtverletzung der Beklagten folgt schließlich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus dem Umstand, dass sie es unterlassen hat, die Versicherungssumme zu hinterlegen (wie hier OLG Stuttgart, Urteil vom 20.02.2020, 7 U 283/19, BeckRS 2020, 38548 Rn. 79 ff.; OLG München, Urteil vom 8.05.2009, 25 U 4318/08, NJOZ 2009, 2263 unter II 3 a). Eine solche Pflicht zur Hinterlegung kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht bei "evidenten Anhaltspunkten" in Betracht. Die Erwägungen zu einem bestimmten Zweck des Vertrags (Bestattungskosten) und zu den diesbezüglichen Umständen ändern nichts. Gleichwohl hatte die Beklagte an die Bezugsberechtigte auszuzahlen. Es war auch unter Berücksichtigung dieser Umstände nicht offenkundig sicher, dass die Leistung letztlich der Klägerin zustehen würde.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Berufungserwiderung auch nicht aus dem dort zitierten Urteil des OLG Nürnberg (vom 21.12.2015 - 8 U 1255/15, wo unter juris-Rn. 21 ff. erörtert wird, ob eine Hinterlegung berechtigt war, nicht ob und wann sie geboten sein könnte).
2. Mangels Bestehens der geltend gemachten Hauptforderung ist die Beklagte auch nicht zur Zahlung vorgerichtliche Anwaltskosten verpflichtet.
III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Revisionszulassung ist nicht veranlasst.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.984,55 EUR.
Fundstellen
Dokument-Index HI15762339 |