Leitsatz (amtlich)
1. Die Mitgliedschaft in einem Verein geht nicht auf einen Rechts- oder Funktionsnachfolger über. Wird durch Gesetz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Mitglied eines Vereins ist, aufgelöst und eine an deren Stelle tretende Körperschaft geschaffen, geht die Vereinsmitgliedschaft auf letztere nicht über; es liegt insbesondere keine (Teil-)Identität der Körperschaften vor.
2. Die Mitgliedschaft in einem Verein kann auch stillschweigend durch schlüssiges Handeln begründet werden. Lässt sich dies nicht feststellen, kann eine Mitgliedschaft nach den Grundsätzen, die für den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft entwickelt worden sind, bestehen. Hierzu genügt ein willentliches Verhalten, das eindeutig als Betätigung der Vereinsmitgliedschaft anzusehen ist.
Normenkette
BGB § 38 S. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 16.11.2009; Aktenzeichen 18 O 380/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.11.2009 verkündete Urteil des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 16.680,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt mit seiner am 29.12.2008 eingegangenen und am 2.3.2009 zugestellten Klage den Anspruch auf Mitgliedsbeiträge für das Geschäftsjahr 2005/2006 gegen die Beklagte.
Der Kläger ist als eingetragener Verein Dachverband der "Studierendenschaften" zahlreicher deutscher Universitäten; die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Studierendenschaft der Universität Gesamthochschule F erklärte unter dem 15.6.2001 durch den "Allgemeinen StudentInnenausschuss", handelnd durch zwei namentlich bezeichnete Referenten, den Beitritt "zu vollziehen". Die Studierendenschaft der H Universität E beantragte unter dem 25.10.2001 den Beitritt zum Kläger, und zwar mit Unterschriften zweier Personen unter der Bezeichnung "AStA-Vorsitzender" und "AStA-Finanzreferent". Im Gesetz über die Hochschulen des Landes NW ist u.a. Folgendes bestimmt:
§ 72
Studierendenschaft
(1) Die an der Hochschule eingeschriebenen Studierenden bilden die Studierendenschaft. Die Studierendenschaft ist eine rechtsfähige Gliedkörperschaft der Hochschule.
...
§ 76
Allgemeiner Studierendenausschuss
(1) Der Allgemeine Studierendenausschuss vertritt die Studierendenschaft. Er führt die Beschlüsse des Studierendenparlaments aus und erledigt die laufenden Geschäfte der laufenden Verwaltung der Studierendenschaft.
(2) Rechtsgeschäftliche Erklärungen, durch die die Studierendenschaft verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform. Sie sind von mindestens zwei Mitgliedern des Allgemeinen Studierendenausschusses zu unterzeichnen.
In Art. 1 "Errichtung der Universität E" des Gesetzes zur Errichtung der Universität E und zur Umwandlung der Gesamthochschulen vom 18.12.2002 heißt es u.a. wie folgt:
§ 1
Errichtung, Auflösung
(1) Mit Wirkung zum 1.1.2003 ist die Universität E ... errichtet. Gleichzeitig sind die Universitäten-Gesamthochschulen E und F aufgelöst.
...
(4) Die Universität ist ab dem Zeitpunkt ihrer Errichtung Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Hochschulen.
...
§ 11
Studierendenschaft
(1) Die Studierendenschaften der aufgelösten Hochschulen bilden die Studierendenschaft der Universität.
...
Die Beklagte richtete in der Zeit vom 02.-6.3.2005 die Mitgliederversammlung des Klägers in den Räumen der Universität E aus, nahm an dieser Mitgliederversammlung teil und beschloss über die Neufassung der Satzung. Mit Schreiben vom 4.4.2006 wandte sich der AStA der Universität E an den Kläger und bat aufgrund "anhaltender Finanzschwierigkeiten" um Erlass der Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2004/2005 und 2005/2006. Der Kläger gewährte eine Stundung. Die Beklagte, die den Kläger ferner am 9.3.2007 um eine "Saldenbestätigung der noch offenen Posten" und mit Schreiben vom 16.3.2007 um die Erstattung einer Überzahlung aus der Überweisung eines Rechnungsbetrags gebeten hatte, erklärte am 10.1.2008 den Austritt aus dem Kläger. Nach dessen Satzung ist ein Beitrag zu zahlen, der sich auf jährlich 0,50 EUR pro eingeschriebenen Studenten errechnet. Für das Geschäftsjahr 2005/2006 ergab sich für die Beklagte damit ein Beitrag von 16.680,50 EUR, den der Kläger der Beklagten unter dem 18.5.2006 in Rechnung stellte, auf Bitten der Beklagten zunächst stundete und mit Schreiben vom 16.12.2008 schließlich anmahnte.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht Mitglied des Klägers geworden zu sein. Sie sei als teilrechtsfähige Untergliederung der Universität E erst zum 1.1.2003 geschaffen worden. Eine Rechtsnachfolge sei in dem Gesetz nicht angeordnet; dieses sehe vielmehr die Auflösung der früheren Universitäten (und ihrer Studierendenschaften) vor. Die Beklagte hat die Wirksamkeit der im Namen des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität Gesamthochschule F sowie des Studierendenparlaments der H-Universität E abgegebenen Beitrittserklärungen bestritten und sich im Übrigen auf Verjährung berufen.
Das LG hat der Klag...