Leitsatz (amtlich)

Für die Dauer einer gem. § 94 ZVG angeordneten Sicherungsverwaltung sichert die durch die Kündigung eines Sicherungsverwalters ausgelöste Räumungspflicht eines Mieters keine Interessen des Erstehers, die über die Nutzung hinausgehen, für deren Bestand die Sicherungsverwaltung angeordnet wurde. Damit liegt ein Schaden, den ein Ersteher mit einer entgangenen Nutzungsmöglichkeit begründet, die er erst nach der Bezahlung des Versteigerungserlöses und der Aufhebung der Sicherungsverwaltung hätte verfolgen können, außerhalb des Schutzbereichs der durch die Sicherungsverwaltung beschränkten mietvertraglichen Räumungspflicht.

 

Normenkette

ZVG § 94

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 04.03.2009; Aktenzeichen 16 O 167/08)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4.3.2009 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Bielefeld (16 O 167/08) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 20.000 EUR; die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Sachverhaltsdarstellung

Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege einer im August des Jahres 2008 erhobenen Teilklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen verspäteter Rückgabe einer Mietsache an einen Sicherungsverwalter nach der Beendigung eines gewerblichen Mietverhältnisses in Anspruch.

Am 4.12.1995 schloss die Beklagte mit der damaligen Eigentümerin der Immobilie O-Straße 5-7 in C2, der Fa. C GmbH & Co. KG, einen Mietvertrag (Anl. K 1) über dort gelegene Gewerberäume und am 1.1.1996 einen weiteren Mietvertrag über Sammelgaragenplätze. Vertraglich vereinbartes Mietende war der 31.12.2015, der vereinbarte Mietzins betrug zuletzt monatlich 21.975,57 EUR brutto.

Im Jahre 2004 wurde die Zwangsversteigerung der Immobilie angeordnet (6 K 228/04 AG Bielefeld). Im Versteigerungstermin vom 13.12.2006 erhielt die Klägerin nach der Abgabe eines Meistgebotes i.H.v. 5.100.000 EUR den Zuschlag (Beschluss des AG Bielefeld vom 13.12.2006, - 6 K 228/04 AG Bielefeld, Anl. K 2).

Auf Antrag der Sparkasse C2 als der das Zwangsversteigerungsverfahren betreibenden Gläubigerin wurde das Versteigerungsobjekt zeitgleich bis zur Zahlung oder Hinterlegung des zur Befriedigung des Anspruches der Gläubigerin nötigen Betrages des Bargebotes gem. § 94 ZVG in gerichtliche Verwaltung genommen. Der Klägerin wurde die Verwaltung und Benutzung des Versteigerungsobjekts vom Zuschlag an entzogen und Rechtsanwalt L zum Sicherungsverwalter bestellt. Das Versteigerungsgericht ermächtigte den Sicherungsverwalter, sich selbst den Besitz des Versteigerungsobjekts zu verschaffen (Beschluss des AG Bielefeld vom 13.12.2006, - 6 K 228/04 AG Bielefeld, Anl. K 3).

Mit Schreiben vom 19.12.2006 (Anl. K 4) forderte die Klägerin den Sicherungsverwalter auf, die Mietverträge mit der Beklagten gem. § 94 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 57a ZVG zum nächst möglichen Zeitpunkt zu kündigen. Sie beabsichtigte, das ersteigerte Wohn- und Geschäftshaus umzubauen und zu renovieren, wobei die von der Beklagten gemietete Ladeneinheit in zwei Ladengeschäfte aufgeteilt werden sollte. Nach einer für ca. 9 Monate geplanten Umbauzeit und erneuter Vermietung sollte die Immobilie gewinnbringend veräußert werden. Aufgrund des Schreibens vom 19.12.2006 kündigte der Sicherungsverwalter die Mietverhältnisse mit Schreiben vom 22.12.2006 (Anl. K 5) zum 30.06.3007.

Mit Schreiben vom 18.6.2007 (Anl. K 16) wies die Sparkasse C2 die Klägerin darauf hin, dass das zu zahlende Meistgebot bisher nicht erbracht sei und verlangte eine Zahlung von 100.000 EUR auf das Meistgebot, um den Sicherungsverwalter zu veranlassen, den Mietvertrag mit der Beklagten nicht zu verlängern. Zudem teilte sie mit, dass sie eine Rücknahme der Sicherungsverwaltung bewilligen werde, sobald ihre restliche Forderung aus dem Meistgebot zzgl. Zinsen ausgeglichen sei oder ihr eine bedingungslose und unwiderrufliche Zahlungsbestätigung eines inländischen Kreditinstitutes vorgelegt werde, in der die Zahlung innerhalb von 30 Tagen nach Vorlage der Bestätigung garantiert werde. Die geforderten 100.000 EUR zahlte die Klägerin am 26.6.2007 an die Sparkasse C2.

Da sich die Beklagte weigerte, die Mietsachen zum 30.6.2007 herauszugeben, erhob der Sicherungsverwalter Räumungsklage vor dem LG Bielefeld (16 O 173/07 LG Bielefeld). Mit Urteil vom 17.10.2007 wies das LG Bielefeld die Räumungsklage mit der Begründung ab, dass das außerordentliche Kündigungsrecht gem. § 57a ZVG lediglich dem Ersteher und nicht dem Sicherungsverwalter zustehe. Hiergegen legte der Sicherungsverwalter Berufung ein (18 U 85/07 OLG Hamm), über die der Senat am 7.4.2008 v...

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