Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewusst pflichtwidriges Verhalten in der Berufshaftpflicht
Leitsatz (amtlich)
1. In der Haftpflichtversicherung besteht Leistungsfreiheit wegen bewusst pflichtwidrigen Verhaltens des Versicherten nur, wenn der Versicherte die verletzte Pflicht gekannt und gewusst hat, wie er sich hätte verhalten müssen. Der dem Versicherer obliegende Beweis hierfür kann erbracht sein, wenn ein Versicherter (hier Architekt) das Primär- oder Elementarwissen seines Berufs außer Acht gelassen hat (hier bejaht). Dies gilt zumal für einen Versicherten mit langjähriger Berufserfahrung.
2. Es gehört in diesem Sinn zum Elementarwissen eines Architekten, dass ein bloß deckendes Dach nur bei einer bestimmten Dachneigung geplant werden darf und dass ohne eine solche Neigung eine Abdichtung vorzusehen ist.
Normenkette
Arch.-Haftpfl. Teil A Abschn. IV Nr. 8 BBR
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 30.05.2006; Aktenzeichen 4 O 541/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 30.5.2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hagen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.
Gründe
I. Der Kläger ist Architekt. Er nimmt die Beklagte aus einer Berufshaftpflichtversicherung in Anspruch, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Berufshaftpflicht von Architekten, Bauingenieuren und beratenden Ingenieuren (BBR) zugrunde liegen.
Im Herbst 2002 erhielt der Kläger von der Fa. A den Auftrag, für diese eine neue Industriehalle zu erstellen. Dabei bestand die Problematik, dass die Halle einerseits als Hochregallager genutzt werden sollte, was eine gewisse Mindesthöhe voraussetzt, andererseits jedoch eine Hochspannungsleitung über das Grundstück verlief, so dass das Gebäude eine bestimmte Höhe nicht überschreiten durfte. Um diesen Anforderungen seines Auftraggebers gerecht zu werden plante der Kläger ein nahezu flaches Dach, das auf einer Länge von 18m lediglich ein Gefälle von 14 cm aufwies (Dachneigung 0,45 ° = 0,77 %). Querstöße enthält das Dach nicht. Es besteht aus großflächigen Profilen, die ohne Stoß über die gesamte Fläche laufen. Eine Tropfkante oder eine besondere Abdichtung des Daches sah der Kläger nicht vor. Er schrieb lediglich eine Vliesbandbeschichtung (Kondensatbremse) an der Unterseite der Trapezbleche vor, um eine Schwitzwasserbildung zu vermeiden.
Nach Abschluss der Planungen schrieb der Kläger die notwendigen Arbeiten, darunter "1.005 qm unter 1 Grad geneigte Dachfläche auf vorhandener Stahlkonstruktion mit Trapezblech eindecken", aus und erteilte unter dem 19.5.2003 der Fa. S u.a. den Auftrag, das Dach zu errichten. Diese wies den Kläger mit Schreiben vom 21.5.2003 darauf hin, dass die Dachneigung nicht den "gültigen Vorschriften" entspreche. Eine absolute Dichtigkeit des Daches könne daher nicht gewährleistet werden.
Nach Fertigstellung und Vermietung der Halle stellte die Fa. A an mehreren Stellen Undichtigkeiten fest. Sie leitete deshalb am 17.1.2005 ein Beweissicherungsverfahren gegen die Fa. S und den Kläger ein. Der beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. H stellte fest, dass sich das Regenwasser wegen der geringen Dachneigung im Traufbereich staut und von dort in das Innere der Halle eindringt. Die Verantwortung für den Gesamtschaden sei zu 43 % der Fa. S und zu 57 % dem Kläger anzulasten (bzgl. der unzureichenden Dachneigung zu 20 % der Fa. S und zu 80 % dem Kläger). Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen. Zwischenzeitlich nimmt die Fa. S die ausführende Firma und den Beklagten wegen der Mängel auf Zahlung von 32.700 EUR in Anspruch.
Der Kläger meldete den Schadensfall bei der Beklagten an und begehrte Versicherungsschutz, den die Beklagte mit Schreiben vom 27.1.2005 und vom 8.4.2005 ablehnte. Sie verwies darin auf die DIN 18807 hin, nach der die Ausführung eines Daches mit weniger als 3 ° (= 5 %) zwar möglich sei. In einem solchen Fall müsse das Dach jedoch unterhalb der Metalldachdeckung abgedichtet werden, was nicht geschehen sei, so dass ein bewusster Pflichtenverstoß vorliege.
Der Kläger hat behauptet, dass er sich bei der Planung des Daches mit der Fachbaufirma X, mit der er zuvor schon mehrere Hallen gebaut hatte, in Verbindung gesetzt habe, die keine Bedenken gegen die geringe Dachneigung erhoben habe. Auch die beauftragten Firmen hätten zunächst keine Einwände angemeldet. Als die Fa. S dann später darauf hingewiesen habe, dass die Dachneigung nicht den gültigen Vorschriften entspreche, sei eine Änderung der Stahlkonstruktion nicht mehr möglich gewesen, da sie bereits am 23.5.2003 - also zwei Ta...