Leitsatz (amtlich)
Ein nach dem Tode seiner ersten Ehefrau durch ein gemeinschaftliches Testament gebundener Ehemann kann an der testamentarischen Übertragung seines Vermögens an die zweite Ehefrau gehindert sein. Zu Lebzeiten vorgenommenen Schenkungen können von den Erben nach dem Tod des Erblassers unter den Voraussetzungen des § 2287 BGB herausverlangt werden.
Normenkette
BGB §§ 812-814, 1939, 1968, 2147, 2174, 2271, 2271m, 2287 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 4 O 283/15) |
Tenor
Auf den Hilfsantrag der Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 10.12.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht zur Rückübertragung des Eigentums an dem Immobilienbesitz in M (Grundbuch von M, des Amtsgerichts M/Rhein, Bd. ..., Blatt ... und Blatt ...) an die Beklagten verpflichtet ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung (Haupt- und Hilfsantrag) zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagten 1/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Vermächtnissen und Schenkungen zugunsten der Klägerin, die der Erblasser nach der Errichtung eines Ehegattentestaments getätigt hat.
Die am ........1964 geborene Klägerin ist die zweite Ehefrau des am ........1943 geborenen und am ........2015 verstorbenen Dr. T2 (im Folgenden: der Erblasser). Der Erblasser war Chefarzt der chirurgischen Abteilung des St. N-hospitals in I. Die Klägerin ist gelernte Krankenschwester. Seit 1995 ist sie beim St. N-hospital angestellt und seit 1998 war sie mit dem Erblasser näher bekannt. Die Beklagten sind die leiblichen Kinder des Erblassers aus seiner ersten Ehe mit Frau T.
Am 20.03.1995 verfassten der Erblasser und seine erste Ehefrau ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament mit folgendem Inhalt:
"Testament der Eheleute T und T2:
Wir, die Eheleute C und O B T setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Erben des Längstlebenden sollen unsere drei Kinder U, T2 und Q sein (zu gleichen Teilen)."
Frau T verstarb am ........1997. Das Testament vom 20.03.1995 wurde am 21.01.1998 eröffnet (5 IV 222/97, Amtsgericht Werl).
Frau T war u.a. Alleineigentümerin der gemeinsam mit dem Erblasser bewohnten Immobilie T3 in X sowie des mit einem Doppelhaus bebauten Nachbargrundstücks T-Weg und ... in X. Nach ihrem Tod wurde der Erblasser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Im August 2001 zog die Klägerin mit ihrem aus einer früheren Beziehung stammenden Sohn D (geboren am ........1982) bei dem Erblasser ein. Zu dieser Zeit lebte auch der jüngste Sohn des Erblassers, der am ........1981 geborene Beklagte zu 3), noch im Haushalt des Erblassers.
Am 22.12.2001 - sechs Tage vor der Eheschließung mit der Klägerin - errichtete der Erblasser ein notarielles Testament (UR-Nr. .../2001, Notar Dr. I 2 in I 3), in welchem er erklärte, in der freien Verfügung über sein Vermögen in keiner Weise beschränkt zu sein und vorsorglich alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen widerrief. Sodann setzte er die drei Beklagten zu je 1/3 als Erben ein und beschwerte sie im Wege des Vermächtnisses mit der Gewährung eines schuldrechtlich unentgeltlichen Wohnrechts zu Gunsten der Klägerin und deren Sohn an dem Hausgrundstück T3 auf die Dauer von einem Jahr ab seinem Versterben bzw. für den Fall, dass die Ehe im Zeitpunkt seines Todes sechs Jahre oder länger bestanden hatte, mit der Verpflichtung zur Bestellung eines lebenslangen schuldrechtlich unentgeltlichen und dinglich zu sichernden Wohnrechts am Objekt T2 und zwar in der rechten Doppelhaushälfte, Parterrewohnung nebst Gartennutzung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde Bezug genommen (Anl. K5).
Am selben Tag schlossen der Erblasser und die Klägerin einen notariellen Ehe- und Erbvertrag (UR-Nr. .../2001, Notar Dr. I 2 in I 3), in dem sie Gütertrennung vereinbarten und einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde Bezug genommen (Anl. K6).
Überdies schlossen die Klägerin und der Erblasser am 22.12.2001 - aufschiebend bedingt durch die Eheschließung sowie auflösend bedingt durch die Ehescheidung oder ein Vorversterben der Ehefrau - einen notariellen Schenkungsvertrag über eine Eigentumswohnung des Erblassers in M/Rhein (UR-Nr. .../2001, Notar Dr. I 2 in I 3). Gemäß § 3 des Vertrages war die Schenkung mit keiner Auflage verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde Bezug genommen (Bl. 94 ff. d.A.). Diese Immobilie hatte der Erblasser seinerseits mit notariellem Kaufvertrag vom...