Leitsatz (amtlich)
Grundlagen der Schätzung des Stromverbrauchs in entsprechender Anwendung von § 18 StromGVV in Fällen, in denen der Kunde durch Manipulation oder Umgehung der Messeinrichtung unerlaubt Strom zum Betrieb einer Cannabisplantage entnommen hat.
Normenkette
StromGVV § 18
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 02.03.2011; Aktenzeichen 11 O 321/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.3.2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Essen teilweise abgeändert.
Der Vollstreckungsbescheid des AG Hagen vom 19.9.2010 (10-2441802-0-9) wird insoweit aufrechterhalten, als dem Beklagten hiermit die Zahlung von 50.593,86 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2009 sowie von 131,18 EUR an weiteren Nebenforderungen auferlegt wurde. Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben; die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 14 % und der Beklagte zu 86 %, mit Ausnahme der durch den Erlass des Vollstreckungsbescheides entstandenen Kosten, welche der Beklagte trägt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das am 2.3.2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Essen ist, soweit es aufrechterhalten bleibt, für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, Energieversorgungsunternehmen, begehrt von dem Beklagten Vergütungen für Stromlieferungen; hilfsweise hat sie ihren Klageanspruch auf Vertragsstrafe gestützt. Der Beklagte hatte für eine von ihm mit Wirkung zum 15.7.2007 angemietete Wohnung gemeinsam mit dem Zeugen O unter Umgehung der Zähleinrichtungen unerlaubt Strom entnommen und damit eine Cannabisplantage gespeist. Vertragspartner der Klägerin war der Beklagte im Rahmen der Grundversorgung. Die Klägerin hat, nachdem die Cannabisplantage im August 2009 von der Polizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens entdeckt worden war, aufgrund der polizeilichen Angaben den Stromverbrauch geschätzt, dem Beklagten in Rechnung gestellt und einen Vollstreckungsbescheid erwirkt, gegen den der Beklagte Einspruch eingelegt hatte.
Wegen der weiteren Feststellungen wird gem. § 540 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klägerin zunächst aufgefordert, ihren Anspruch innerhalb von 2 Wochen zu begründen. Nach fruchtlosen Fristablauf hat es Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und der Klägerin eine Frist zur Begründung des Anspruch gesetzt. Die innerhalb dieser gesetzten Frist eingegangene Anspruchsbegründung ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten ohne weitere Verfügung oder Belehrung und ohne förmliche Zustellung übersandt worden. Eine Klageerwiderung des Beklagten ist nicht eingegangen. Im - mehrmals verlegten - Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bestritten, dass eine Stromentnahme außerhalb von 2009 stattgefunden habe und auch in 2009 nicht in dem Umfang, wie von der Klägerin geltend gemacht. Er hat insofern eine Schriftsatznachlassfrist begehrt.
Das LG hat sodann mit dem angefochtenen Urteil den Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, dass die Schätzungen des Stromverbrauchs durch die Klägerin plausibel dargelegt seien und demgegenüber der Beklagte nicht substantiiert dargelegt habe, in welcher Höhe der - angeblich geringere - Stromverbrauch angefallen sei. Ihm obliege insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schätzung unrichtig sei. Dem Beklagten sei auch keine Schriftsatznachlassfrist zu gewähren, da die Anspruchsbegründung dem Beklagten vor mehr als 4 Monaten zugestellt worden sei. Im Übrigen hätte der Beklagte nach § 340 ZPO III 1 ZPO bereits in seiner Einspruchsschrift die Verteidigungsmittel vorbringen müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung und begehrt die Aufhebung des Vollstreckungsbescheides, soweit ihm hiermit ein Betrag von mehr als 5.110,96 EUR auferlegt wurde.
Er rügt Verfahrensfehler des LG. Sein Prozessbevollmächtigter habe die Frist zur Klageerwiderung versäumt, weil ihm die Anspruchsbegründung ohne besondere Belehrung oder Fristsetzung zur Klageerwiderung formlos übersandt worden sei. Aus diesem Grunde sei in seiner Kanzlei keine Frist notiert worden. Bei ordnungsgemäßem Verfahrensgang hätte er sämtlichen Vortrag in der Berufungsbegründung bereits in der Klageerwiderung geltend gemacht. Auch der Hinweis des LG auf § 340 ZPO sei fehlerhaft, da die Vors...