Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zurechnung der Arglist der Fahrzeugherstellerin gegenüber dem Fahrzeughändler findet in Fällen des sog. "VW-Abgasskandals" nicht statt. Der Fahrzeughändler ist auch nicht Erfüllungsgehilfe der Herstellerin (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2014 - VIII ZR 46/13 - ; im Anschluss an OLG Hamm, Urteil vom 02.05.2019 - 28 U 101/18 -).
2. Eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der §§ 6, 27 EG-FGV wird nicht deshalb ungültig, weil sie inhaltlich unrichtig ist. Das ist eine Frage des Typengenehmigungsverfahrens; für die Bescheinigung gilt ein formeller Gültigkeitsbegriff (im Anschluss an OLG Köln, Urteil vom 16.07.2018 - 5 U 82/17 -).
3. Auch ein Verstoß gegen § 27 EG-FGV würde nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß § 134 BGB führen (im Anschluss an OLG Hamm, Urteil vom 02.05.2019 - 28 U 101/18 -).
Normenkette
BGB §§ 123, 134, 166, 203, 242, 278, 323, 346, 434, 437-439; EG-FGV §§ 6, 25, 27; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 4 O 412/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.12.2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (I-4 O 412/17) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages hinsichtlich eines bei der Beklagten erworbenen, von dem sog. "VW-Abgasskandal" betroffenen Dieselfahrzeuges.
Der Kläger bestellte bei der Beklagten unter dem 27.01.2014 einen neuen PKW der Marke T zu einem Kaufpreis von 25.075, -EUR. Nach Zahlung dieses Betrages durch den Kläger wurde der PKW am 26.03.2014 an ihn ausgeliefert. Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Bestellung wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift (BI. 76 d.A.) Bezug genommen.
Der Wagen ist mit einem Dieselmotor des Typs F der W AG (im Folgenden: W AG) ausgestattet, der als Schadstoffklasse Euro 5 verkauft wurde. Die Motorsteuerung ist mit einer Software programmiert, durch deren Verwendung im Testbetrieb (sog. Modus 1) geringere Abgasemissionen erreicht werden. Im Testbetrieb ist die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen. Im normalen Fahrbetrieb (sog. Modus 0) sind dagegen die NOx-Emissionen erheblich höher.
Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) hat die technischen Maßnahmen (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp mit Bestätigung vom 10.06.2016 freigegeben. Die Freigabe beinhaltet Angaben zur Einhaltung der Grenzwerte und zur unveränderten Einhaltung der ursprünglichen Herstellerangaben. Nach der Installation des Updates wird das Fahrzeug in einem adaptierten Modus 1 betrieben. Der Kläger ließ das Software-Update am 23.11.2016 aufspielen, nachdem er hierzu rund einen Monat zuvor von der Beklagten aufgefordert worden war. Der Kilometerstand am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.12.2019 betrug 117.000 km.
Mit Anwaltsschreiben vom 02.05.2017 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13.06.2017 zur Nachlieferung auf. Mit Schreiben vom 11.05.2017 lehnte die Beklagte eine Haftung ab. Der Kläger hat in der bei Gericht am 04.12.2017 eingegangenen Klageschrift sowohl die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung als auch den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Der Kläger hat behauptet, er habe ein umweltbewusstes Auto kaufen wollen. Wichtig sei ihm gewesen, dass das Fahrzeug die Voraussetzungen für eine grüne Umweltplakette erfülle. Er hätte den PKW nicht gekauft, wenn er von der Manipulationssoftware Kenntnis gehabt hätte. Hierüber sei er beim Kauf nicht informiert worden. Er sei insbesondere davon ausgegangen, dass die NOx-Emissionen auch im realen Fahrbetrieb mit den offiziellen Angaben in Einklang stünden und der PKW alle europäischen und nationalen Vorschriften erfülle.
Er hat weiter behauptet, dass eine folgenlose Nachbesserung technisch nicht möglich sei. Der PKW erbringe nach dem Update nicht mehr die volle Leistung. Jedenfalls sei der Marktwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs gesunken.
Er hat die Auffassung vertreten, der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sei gem. § 134 BGB nichtig. Dieser verstoße gegen ein gesetzliches Verbot. Denn gem. § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (im Folgenden: EG-FGV) dürften zur Verwendung im Straßenverkehr Fahrzeuge nur veräußert werden, wenn diese mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung versehen seien. Es handele sich hierbei nicht lediglich um eine Ordnungsvorschrift, sondern vielmehr um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Denn ein Fahrzeugkauf solle nur dann gestattet sein, wenn eine wirksame EG-Übereinstimmungsbescheinigung vorliege. Es solle gerade verhinder...