Leitsatz (amtlich)
Bezeichnet sich eine Werkstatt als Fachwerkstatt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke, trifft sie, auch wenn sie nur mit Wartungsarbeiten im Umfang einer "kleinen Inspektion" beauftragt ist, die Pflicht sich zu informieren, ob das Fahrzeug von einer Rückrufaktion wegen sicherheitsrelevanter Mängel betroffen ist.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 633 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen I-6 O 229/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 16.06.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum werden zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil des LG sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund einer vermeintlichen Pflichtverletzung im Rahmen eines Werkvertrages.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Fahrzeugs Typ D, welches sie am 27.10.2010 erworben hatte. Es handelt sich um ein Importfahrzeug, welches in den USA hergestellt wurde und lediglich im Importweg in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird. In Deutschland existierten im streitbefangenen Zeitraum für die Automarke E kein autorisiertes Händlernetz und keine Niederlassungen des Unternehmens.
Die Beklagte betreibt eine Fachwerkstatt für Kraftfahrzeuge und wirbt für sich als autorisierte Fachwerkstatt/Service für Fahrzeuge der Marke E. Die Klägerin ließ bei der Beklagten nach dem Erwerb Reparatur- und Wartungsarbeiten an ihrem Fahrzeug vornehmen.
Ab Februar 2013 fand eine Rückrufaktion des Herstellers E unter der Bezeichnung "Safety Recall N08" statt, die auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs betraf. Diese beruhte auf einem Mangel in Gestalt einer nicht ausreichend gesicherten Mutter im Getrieberad der Hinterachse. Die Klägerin erhielt vom Hersteller hierüber keine Mitteilung. Bei weiteren Wartungsarbeiten der Beklagten am Fahrzeug des Klägers am 31.10.2013 wurden die Anweisungen des Herstellers gemäß dem "Safety Recall N08" nicht umgesetzt.
Im April 2014 erlitt das Fahrzeug der Klägerin aufgrund einer Blockade der Hinterachse während der Fahrt erhebliche Beschädigungen. An der Hinterachse trat ein Totalschaden auf; diese musste vollständig ausgetauscht werden. Wäre entsprechend dem Rückruf die Mutter gesichert worden, wäre der Schaden nicht entstanden.
Nachdem die Klägerin durch eigene Nachforschungen Kenntnis von der Rückrufaktion erlangte hatte, nahm sie die Beklagte auf Schadensbeseitigung in Anspruch. Sie leitete ein selbständiges Beweisverfahren beim LG Bochum ein, in dem der Sachverständige L ein Gutachten nebst Ergänzungsgutachten erstattete. Mit der am 07.09.2015 zugestellten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags die Erstattung fiktiver Nettoreparaturkosten von 6.058,32 EUR sowie den Ausgleich eines merkantilen Minderwerts von 2.521,01 EUR.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe durch einen fehlenden Hinweis auf die Rückrufaktion ihre werkvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Dazu trägt sie vor, der Rückruf habe der Beklagten als Vertragswerkstatt zwingend bekannt sein müssen; zumindest habe sich die Beklagte diese Kenntnisse verschaffen müssen. Zudem sei die Wartung selbst nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die Beklagte habe den, dem Rückruf zugrunde liegenden Mangel im Rahmen der Wartung am 31.10.2013 erkennen und die Klägerin darauf hinweisen müssen.
Die Beklagte hat behauptet, im Oktober 2013 sei lediglich eine kleine Wartung durchgeführt worden. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin müsse sich bei Haftungsfragen sowie wegen der Rückrufaktion N08 an den Händler oder Importeur des Fahrzeugs wenden. Sie habe sich insofern selbst über etwaige Rückrufaktionen des Herstellers informieren müssen. Da es sich bei dem Fahrzeug um ein nicht in Deutschland vertriebenes und nicht durch offizielle Importeure verbrachtes Fahrzeug handele, treffe die Beklagte keine Überprüfungspflichten hinsichtlich etwaiger Rückrufaktionen. Ihrer eigenen Haftung stehe auch entgegen, dass der Hersteller für produktbedingte Mängel nach dem Produkthaftungsgesetz einstehen müsse. Die Rechtslage richte sich nach dem Herstellerland, mithin nach amerikanischem Recht. Eine Niederlassung, Servicestation oder freie Werkstatt sei nicht verpflichtet, Kunden etwaige Rückrufaktionen mitzuteilen.
Das LG hat der Klage nach Anhörung des Sachverständigen L in Höhe von 8.579,33 EUR nebst Zinsen ab 08.09.2015 stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Der Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus §§ 631, 280 Abs. 1, § 249 ff. BGB z...