Leitsatz (amtlich)
Der Reitlehrer verstößt nicht gegen die ihm obliegende Sicherungspflicht ggü. dem Reitschüler, wenn er während einer Übungsstunde gegen den Widerstand des Pferdes gegen eine Dressurübung (hier: sog. Schenkelweichen) und gegen den Widerstand des Reitschülers wegen Unruhe des Pferdes die Übung durchzusetzen versucht, indem er die Fortsetzung verlangt und mit einem Eingriff in das Zaumzeug das Pferd führt.
Es gehört zu dem anzuerkennenden Ziel der Ausbildung von Pferd und Reiter, solche Widerstände zu überwinden.
Die Verletzung der Sicherungspflicht kann nur dann vorliegen, wenn weitere, konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Pferd alsbald steigen wird und den Reiter abwirft.
Normenkette
BGB §§ 823, 831
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 7 O 99/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.8.2001 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert die Klägerin um mehr als 20.000 Euro.
Tatbestand
Die am 10.1.1982 geborene Klägerin war seit 1991 Vereinsmitglied bei der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) ist bei der Beklagten zu 1) als Reitlehrerin beschäftigt.
Am 24.8.1998 nahm die Klägerin mit ihrem Pferd Bell fleur, das die Klägerin Anfang Mai 1998 übernommen hatte, an einer Reitstunde in der Reitanlage der Beklagten zu 1) teil, die die Beklagte zu 2) erteilte. Es handelte sich um einen Gruppenunterricht, an dem auch die Zeuginnen A. und C. mit ihren Pferden teilnahmen. Die Schülerinnen hatten zuvor schon 10 Reitstunden, jeweils 1 Stunde pro Woche, absolviert.
Auf Anweisung der Beklagten zu 2) sollte das sog. Schenkelweichen trainiert werden. Es handelt sich dabei um eine Dressurübung, bei der durch Druck des Reiters auf den Rippenbogen des Pferdes erreicht werden soll, dass das Pferd in Parallelstellung diagonal zur ursprünglichen Gehrichtung vorwärts schreitet. Dabei setzt das Pferd die Vorder- und Hinterbeine jeweils über Kreuz. Diese Übung war auch in den vorangegangenen 5 Reitstunden trainiert worden. Das damals 6-jährige Pferd der Klägerin hatte sich in den vorangegangenen Reitstunden dieser Übung widersetzt und sie nur unzureichend ausgeführt. Auch in der Reitstunde am 24.8.1998 verweigerte das Pferd diese Übung. Dabei kam es zunächst dazu, dass das Pferd Bell fleur kurz mit den Vorderfüßen stieg. Im Anschluss daran, auf der anderen Seite der Halle, bestand die Beklagte zu 2) auf der Fortsetzung der Übung. Als die Klägerin darauf hinwies, dass sich das Pferd widersetze, griff sie in das Zaumzeug, um eine Hilfe zu geben. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob sie unmittelbar in den Gebissring eingriff oder nur in den Zügel, um eine Rechtsstellung zu erreichen und das Pferd dadurch zu einer Vorwärts- und Seitwärtsbewegung nach links zu bewegen und es an einem Vor- und Zurückweichen, wie zuvor, zu hindern. Die Beklagte zu 2) forderte die Klägerin bei ihrem Eingriff auf, unterstützend das Pferd, das nach Kenntnis der Beklagten zu 2) und der Klägerin nervös war, anzutreiben. Das Pferd widersetzte sich weiterhin und stieg – aus streitiger Ursache – auf die Hinterbeine und verlor dabei das Gleichgewicht. Das Pferd stürzte rückwärts auf die zuvor auf den Boden gefallene Klägerin, die dadurch schwer verletzt wurde. Die Klägerin erlitt u.a. mehrfache Trümmerfrakturen des gesamten Beckenbereichs mit Rupturen der Harnblase und Risse des Dickdarms. Wegen der operativen und rehabilitationsmedizinischen Maßnahmen wird auf die vorgelegten Gutachten Bezug genommen. Schon jetzt steht fest, dass die Beckenringfraktur zu erheblichen aktuellen Beeinträchtigungen und voraussichtlich fortschreitenden degenerativen Veränderungen sowie zu sonstigen Beschwerden und Beeinträchtigungen führen wird.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes nach einer Vorstellung von 75.000 DM für die Verletzungen und Verletzungsfolgen und begehrt die Feststellung ihrer Eintrittspflicht für materielle und immaterielle Zukunftsschäden.
Sie hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe das Pferd am linken Gebissring ergriffen und mit Gewalt zu der Lektion zwingen wollen. Das Pferd habe zuvor und auch später Widerstand geleistet und sei zunehmend nervöser geworden. Dabei habe es versucht, panisch in alle Richtungen auszubrechen. Sie, die Klägerin, habe die Beklagte zu 2) gebeten, das Pferd loszulassen und von der Übung abzusehen. Dem sei die Beklagte zu 2) jedoch nicht nachgekommen. Infolge der bekannten Reaktionen des Pferdes in den vorangegangenen Reitstunden und am Unfalltag habe die Beklagte zu 2) diese Reaktion des Steigens voraussehen müssen.
Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 2) habe das Pferd nicht am Gebissring, sondern im Bereich des oberen Drittels des Zügels festgehalten. Sie habe nicht gewaltsam auf das Pferd eingewirkt, sondern nur versucht es zu führen. Die heftige Reaktion des Pferdes sei nicht voraussehbar gewesen. Die Beklagte zu 1) bestre...