Leitsatz (amtlich)
Ein erstinstanzliches Urteil kann - unter Zurückweisung der Sache - aufzuheben sein, wenn es unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist, weil das erstinstanzliche Gericht bei einem streitigen Unfallhergang angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben und ein verkehrsanalytisches Sachverständigengutachten nicht eingeholt hat.
Normenkette
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 29.09.2015; Aktenzeichen 2 O 508/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.9.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 24.02.2011 gegen 11.30 Uhr in der C-Straße in C im Bereich der Kreuzung mit der I Straße ereignete. Der Beklagte zu 2) war daran als Fahrer des vom Beklagten zu 3) gehaltenen und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw Opel Astra beteiligt.
Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Beklagte zu 2) die C-Straße in Fahrtrichtung der querenden I Straße. Die Straße verläuft zunächst in jeder Fahrtrichtung einspurig, ca. 100 m vor der Kreuzung teilt sich die Spur jedoch in eine Links-Geradeaus- und Rechtsabbiegerspur. Hinter der Kreuzung hatte sich ein Rückstau gebildet. Auf der Geradeausspur stand der Zeuge E mit seinem Sattelzug, der Beklagte zu 2) hinter ihm, ein oder zwei Fahrzeuge von ihm getrennt. Der Beklagte zu 2) beabsichtigte, nach links in die I Straße abzubiegen. Zu diesem Zweck scherte er nach links aus und benutzte die Gegenspur, um die rechts befindliche Fahrzeugkolonne zu passieren und die Linksabbiegerspur zu erreichen. Der Kläger versuchte zur gleichen Zeit, die Fahrbahn der C-Straße als Fußgänger zu passieren. Er war zwischen dem vom Zeugen E geführten Lkw und dem vor diesem befindlichen Fahrzeug des Zeugen C1 hindurchgegangen, um die Gegenspur der C-Straße zu passieren. Hierbei wurde er von der rechten Vorderkante des vom Beklagten zu 2) gefahrenen Opel Astra erfasst und gegen das Fahrzeug des Zeugen C1 geschleudert, von wo er auf die Fahrbahn stürzte.
Der Kläger erlitt ein Polytrauma mit Pneumothoraxlinks, eine Lungenkontusion, eine Mehretagenfraktur des Unterschenkels sowie eine Fraktur der vierten Rippe und eine Ulnaschaftfraktur links. Er befand sich in der Zeit vom 24.02. bis zum 21.03.2011 in stationärer Behandlung und war bis zum 30.05.2012 arbeitsunfähig.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe bei unklarer Verkehrslage mit hoher Geschwindigkeit unter Überfahrung der durchgezogenen Linie überholt. Er hat die Auffassung vertreten, ihn treffe daher ein hälftiges Verschulden an dem Unfall.
Er hat weiter behauptet, er leide noch immer an Schmerzen im Bereich der Rippen bei Drehbewegungen des Oberkörpers. Er habe am Kopf eine kahle Stelle zurückbehalten, die zu Entzündungen neige. Im Bereich des Beins sei die Beweglichkeit des Sprunggelenks eingeschränkt. Auch seine Gehfähigkeit sei eingeschränkt, da er nicht in der Lage sei, längere Strecken als einen Kilometer zurückzulegen. Sein Knie sei druckempfindlich, die grobe Kraft der Hand eingeschränkt. Bei längerer Belastung werde sie schmerzhaft. Er könne im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit, in der er häufig mit dem Hammer umgehen müsse, nur unter Einschränkungen aktiv sein. Unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers sei ein Schmerzensgeld von nicht weniger als 5.000,00 Euro angemessen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verpflichten, ein Schmerzensgeld an ihn zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und zu erkennen, dass dieses ab dem 17.06.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren, derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den materiellen Schaden aus dem Schadensereignis vom 24.02.2011 zu ersetzen, soweit dieser nicht an Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist und übergeht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben gegenüber der Klageforderung die Einrede der Verjährung mit der Begründung erhoben, die Ansprüche seien Ende 2014 verjährt, die Zustellung der Klageschrift an die Beklagten verspätet.
Auf der Linksabbiegerspur hätten sich keinerlei Fahrzeuge befunden. Da es auch keinen Gegenverkehr gegeben habe, sei es für den Beklagten zu 2) gefahrlos möglich gewesen, links an dem Sattelzug vorbeizufahren. Währenddessen sei auch die den Verkehr im Kreuzungsbereich regelnde Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Beklagten zu 2) von rot auf grün umgesprungen, weshalb der vor dem Sattelzug befindliche Verkehr bereits angerollt sei. Als er auf gleic...