Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtverletzung des Betreuers durch Unterlassen einer Antragstellung auf freiwillige Weiterversicherung eines geistig und körperlich behinderten Betreuten
Normenkette
SGB X § 116 Abs. 1; BGB §§ 249, 398, 1833, 1908i
Verfahrensgang
LG Hagen (Urteil vom 21.02.2007; Aktenzeichen 2 O 198/05) |
Tenor
I.II. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.2.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 26.824,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2005 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus übergegangenem Recht alle weiteren Schäden ab dem 1, Mai 2005 zu ersetzen, die aus der unterlassenen Anmeldung des Herrn Q zur gesetzlichen Pflegeversicherung entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1.a) Wegen des in erster Instanz vorgetragenen Sachverhalts und wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des LG (Bl. 72 Rückseite bis 73 Rückseite GA); § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO. Ergänzend wird auf die in erster Instanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Hagen vom 5.10.2005 (Bl. 25 Rückseite GA) Bezug genommen.
Die Klageschrift ist der Beklagten am 9.6.2005 zugestellt worden (Bl. 11 GA).
b) Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor. Es fehle an der sachlichen Kongruenz der vom Kläger erbrachten Sozialleistungen mit dem etwa übergeleiteten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Sachliche Kongruenz sei nur gegeben, wenn die Sozialleistung der Behebung eines artgleichen Schadens diene. Der Kläger als Träger der Sozialhilfe habe aber seine Leistungen nicht aufgrund der Schädigung durch die Beklagte erbracht, sondern lediglich aufgrund der Behinderung des Betreuten.
Zudem liege auch kein Schaden des Betreuten vor. § 116 Abs. 1 SGB X setze in der Regel voraus, dass eine schädigende Handlung Voraussetzung für den Ersatzanspruch ist. Hier habe der Betreute zwei Möglichkeiten gehabt: Er habe sich entweder freiwillig bei der AOK oder über den Sozialhilfeträger versichern können. Da die Beklagte für den Betreuten die Möglichkeit der Versicherung über den Sozialhilfeträger gewählt habe, liege kein Schaden des Betreuten vor. Denn der Sozialhilfeträger übernehme die Heimbetreuung und die dafür erforderlichen Kosten.
2. Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Zur Begründung trägt er neben einer pauschalen Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen (Bl. 119, 125 GA) im Wesentlichen vor (vgl. i. E. Bl. 117 bis 125 GA):
Es gehöre zu den Pflichten einer Berufsbetreuerin wie der Beklagten, von sich aus für hinreichenden Pflege- und Krankenversicherungsschutz zu sorgen und die diesbezüglichen Aufgaben zu kennen. Sie hätte ab dem 30.6.2003 binnen drei Monaten den Betreuten gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 SGB V als freiwillig kranken- und pflegeversichert anmelden müssen. Da sie dies unterlassen habe, entgingen dem Betreuten seit Juli 2003 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung i.H.v. 1.279 EUR monatlich. Darüber hinaus habe die Beklagte nicht innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Zudem habe die AOK die von der jetzigen Betreuerin gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Mitwirkung der Beklagten abgelehnt, nachdem die Beklagte ohne Angaben von Gründen an einem Besprechungstermin nicht teilgenommen habe. Das habe die Konsequenz, dass der Kläger und damit letztlich die Allgemeinheit rückwirkend ab dem 18.7.2003 Sozialhilfe als Hilfe für die Pflege leisten müsse.
Die Klageabweisung durch das landgerichtliche Urteil könne weder in der überraschenden Begründung noch im Ergebnis überzeugen. Die Pflichtverletzung der Beklagten stehe fest. Ebenso stehe fest, dass der Betreute bei einem pflichtgemäßen Verhalten der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert gewesen wäre. Stattdessen müsse nun der Kläger als Träger der Sozialhilfe Leistungen erbringen. Das LG habe verkannt, dass der Kläger kein Sozialversicherungs-, sondern ein Sozialhilfeträger sei. Schon wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe könnten die Zahlungen nicht zum Wegfall der Ansprüche gegen die Beklagte führen. Es entspreche einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Leistungen des Sozialhilfeträgers nicht zur Entlastung desjenigen führen könnten, der den Schaden verursacht habe. Die Leistungspf...