Leitsatz (amtlich)
1. Ein Krankenhaus kann einen privaten Krankheitskostenversicherer aus abgetretenem Recht des Patienten/Versicherungsnehmers im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft gerichtlich auf die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen, wenn der Patient/Versicherungsnehmer dem Krankenhaus eine Klinik-Card vorgelegt hat und die der Ausgabe dieser Klinik-Card zugrunde liegenden Tarifbedingungen eine Ausnahme von dem aus § 6 Abs. 6 MB/KK 2009 folgenden Abtretungsverbot enthalten.
2. Ist der Versicherer wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer zur Anfechtung berechtigt und ist der Versicherungsnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt, an dem der Versicherer Kenntnis von seiner Anfechtungsberechtigung erlangt, bereits verstorben, ohne dass dessen Erben bekannt wären, so läuft die Jahresfrist für die Anfechtungserklärung erst sechs Monate nach Bestellung eines Nachlasspflegers ab.
Normenkette
MB/KK 2009 § 6; BGB §§ 123-124, 211, 398; VVG § 192; VAG § 152
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 12.08.2015; Aktenzeichen 2 O 397/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.08.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund, Az. I-2 O 397/14, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage auch hinsichtlich des auf Zahlung an die unbekannten Erben des am 26.02.2011 verstorbenen Herrn Peter Dieter Günter B gerichteten Hilfsantrages abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten hat die Streithelferin zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht der Höhe nach unstreitige Behandlungskosten für Herrn Peter B geltend, der in einer ihrer Kliniken in der Zeit von seiner notfallmäßigen Aufnahme am 01.01.2011 bis zu seinem Tod am 26.02.2011 behandelt wurde.
Wegen der Einzelheiten der Behandlung sowie der Berechnung der Forderung wird auf den Entlassungsbrief vom 27.02.2011 (Bl. 5 f. GA) und die Rechnung vom 21.03.2011 (Bl. 7 ff. GA) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 16.03.2011 (Bl. 10 GA) lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Übernahme der Kosten ab und regte eine direkte Abrechnung mit den Angehörigen an. Mit Schreiben vom 21.11.2014 (Bl. 11 GA) lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin weitere Auskünfte ab und verwies zur Begründung auf ihre Schweigepflicht.
Die Klägerin hat behauptet, zwischen Herrn Peter B und der Beklagten bestehe ein Krankenversicherungsvertrag im Basistarif mit der Folge eines Direktanspruchs aus § 192 Abs. 7 VVG. In dem parallel gegen die Streithelferin geführten sozialgerichtlichen Verfahren Az. SG Berlin habe die Streithelferin ein Ende der Versicherung in der GKV bereits im Jahr 1993 vorgetragen. Die Klägerin hat die Rechtsmeinung vertreten, die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Einzelheiten des Versicherungsvertrages. Denn die Beklagte habe Herrn B im Rahmen außergerichtlicher Korrespondenz als ihren ehemaligen Versicherten bezeichnet.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 121.353,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat eine Versicherung des Herrn B bei ihr im Basistarif bestritten, er sei zu keinem Zeitpunkt bei ihr im Basistarif versichert gewesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe keinen Beweis für ihre Vermutung angetreten, dass Herr B bei der Beklagten im Basistarif versichert gewesen sei. § 193 Abs. 3 VVG spreche nicht für die Vermutung der Klägerin, denn der Patient könnte seiner Versicherungspflicht auch mit einer Krankenvollversicherung in anderen Tarifen genügt haben. Zudem sei eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder eine fehlende Versicherungspflicht wegen des Bezuges laufender Sozialleistungen bereits vor dem 01.01.2009 nicht ausgeschlossen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren unter Hinweis auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten weiter verfolgt. Sie beantragt, das am 12.08.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund, Az. 2 O 397/14, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 121.353,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2011 zu zahlen.
Die Streithelferin stellt keinen Antrag.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 18.02.2016 (Bl. 96 GA) darauf hingewiesen, dass die Beklagte nach vorläufiger Bewertung eine sekundäre Darlegungslast treffe und eine Frist zur Stellungnahme gesetzt.
Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom ...