Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse i.S.d. § 58 EheG ist mit demjenigen in § 1578 Abs. 1 BGB inhaltsgleich (im Anschluss an BGH FamRZ 2006, 317).
2. Zum Rang der Unterhaltspflichten gem. § 58 EheG und nach dem geltenden Recht.
3. Die Befristungsmöglichkeit gem. § 1578b BGB gilt nicht für Unterhaltsansprüche gem. § 58 EheG.
Normenkette
EheG § 58; BGB §§ 1578, 1578b, 1582, 1609; EGZPO § 36 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Dülmen (Urteil vom 05.02.2009; Aktenzeichen 6 F 271/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 5.2.2009 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Dülmen teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Das Urteil des AG Coesfeld vom 24.11.1988 - 5 F 93/88 - wird für die Zeit ab Januar 2008 dahin abgeändert, dass der Kläger verpflichtet ist, folgenden monatlichen nachehelichen Unterhalt an die Beklagte zu zahlen:
Januar bis Dezember 2008 443 EUR
Januar bis Dezember 2009 315 EUR
ab Januar 2010 318 EUR.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger zu ¾ und der Beklagten zu ¼ auferlegt.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde werden dem Kläger ebenfalls zu 4/5 und der Beklagten zu 1/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Abänderung eines Unterhaltstitels für die Zeit ab dem 1.1.2008.
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die Ehe, aus der die drei gemeinschaftlichen Kinder U, geb. 30.4.1967, L, geb. 27.5.1968, und J, geb. 23.4.1969, hervorgegangen sind, wurde am 2.11.1966 geschlossen und durch Urteil des LG Münster vom 30.8.1976 geschieden. Die Parteien schlossen am 15.10.1982 vor dem AG Coesfeld einen Vergleich über nachehelichen Unterhalt. Dieser wurde durch Versäumnisurteil des AG Coesfeld vom 5.11.1987 dahingehend abgeändert, dass der Kläger verpflichtet wurde, an die Beklagte 693,11 DM (= 354,38 EUR) Unterhalt zu zahlen. Durch Urteil des AG Coesfeld vom 24.11.1988 - 5 F 93/88 - wurde das Versäumnisurteil dahingehend abgeändert, dass der Kläger einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.036,53 DM (= 529,97 EUR) zu zahlen hat.
Am 29.11.1977 heiratete der Kläger erneut. Diese Ehe mit Frau E2 wurde durch Urteil des AG Dülmen vom 16.7.1999 - 6 F 18/99 - rechtskräftig geschieden. Durch Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Kläger, an Frau E2 monatlichen Unterhalt i.H.v. 613,55 EUR zu zahlen. Durch Urteil des Senats vom 8.12.2010 - 8 UF 82/09 - wurde dieser Vergleich dahingehend abgeändert, dass der Kläger von Januar bis Dezember 2009 nur noch 444 EUR und ab Januar 2010 450 EUR nachehelichen Unterhalt zu zahlen verpflichtet ist; für die Zeit vor dem 1.1.2009 verblieb es hingegen bei der bisherigen Titulierung.
Der Kläger war als Außendienstmitarbeiter bei der Fa. X in Münster beschäftigt. Er ist seit dem 1.6.2007 Rentner und bezieht neben der gesetzlichen Rente der Deutschen Rentenversicherung noch Renten in geringer Höhe aus privaten Altersvorsorgeversicherungen. Er bewohnt mit seiner Lebensgefährtin, die berufstätig ist und demgemäß über eigenes Einkommen verfügt, eine Eigentumswohnung in E. Die am 25.10.1939 geborene Beklagte bezog seit Juni 1988 zunächst eine Erwerbsunfähigkeitsrente, später eine Altersrente. Sie bewohnt eine Eigentumswohnung in E3.
Das AG hat durch die angefochtene Entscheidung das Urteil des AG Coesfeld vom 24.11.1988 teilweise abgeändert, und zwar für die Zeit von Januar bis Juni 2008 auf monatlich 464 EUR, für die Zeit von Juli bis Dezember 2008 auf monatlich 460 EUR und ab Januar 2009 auf monatlich 384 EUR. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, eine Abänderung sei erst für die Zeit ab Januar 2008 vorzunehmen. Die Beklagte, die einen Anspruch auf Unterhalt wegen Alters habe, gehe bis zum 31.12.2007 der zweiten Ehefrau im Rang vor. Nach der gesetzlichen Neufassung ab 1.1.2008 seien beide Ehefrauen gleichrangig. Für die Zeit bis zum 31.12.2007 sei das Urteil hingegen nicht abzuändern, da der Kläger in der Lage sei, den titulierten Unterhalt zu zahlen. In der Folgezeit sei demgegenüber der Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau zu berücksichtigen. Eine Befristung oder Begrenzung komme nicht in Betracht. Die Beklagte habe nämlich aufgrund der Kindererziehung ehebedingte Nachteile erlitten. Aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe sei sie nicht in der Lage gewesen, ausreichend für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Ein Versorgungsausgleich habe nicht stattgefunden.
Mit der Berufung trägt der Kläger vor, das AG habe zu Unrecht einen Wohnvorteil als Einkommen angesehen. Denn er erspare keine Miete in Höhe des zugerechneten Wohnvorteils; die von ihm bewohnte Wohnung sei zu teuer für ihn. Ihm könnten deshalb nur die Kosten für eine angemessene Wohnung i.H.v. 450 EUR zugerechnet werden. Der Wohnwert der von ihm bewohnten Wohnung in E3 betrage zu...