Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 06.10.1988; Aktenzeichen 11 O 143/88)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers wird das am 06.10.1988 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.588,12 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18.03.1988 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im übrigen werden die Berufung und die Anschlußberufung zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger zu 35 % und der Beklagten zu 65 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 27 % und die Beklagte zu 73 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert keine der Parteien über 60.000,00 DM.

 

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nur zu einem geringen Teil begründet, während der selbständigen Anschlußberufung des Klägers der Erfolg überwiegend nicht zu versagen war.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog (vgl. BGHZ 90, 255; NJW 1985, 47).

Dieser Ausgleichsanspruch ist dann gegeben, wenn die von einem Grundstück auf das benachbarte Grundstück ausgehende Einwirkung zwar rechtswidrig ist und deshalb nicht geduldet zu werden braucht, der betroffene Eigentümer aber aus besonderen Gründen gehindert ist, diese Einwirkungen zu unterbinden und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten. Rechtswidrig ist eine Einwirkung, wenn zumutbare und mögliche Maßnahmen unterlassen worden sind.

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht bejaht. Es ist unstreitig, daß aus dem Betrieb der Beklagten in … bis zum Jahre 1979 Thallium (Tl) emmitiert worden ist und hierdurch Grundstücke in der näheren Umgebung des Werks mit Tl kontaminiert worden sind. Hierzu gehört auch das Grundstück des Klägers. Dieses liegt in einer Entfernung von ca. 500 m südöstlich des von der Beklagten betriebenen Zementwerkes. Nach den vorliegenden Gutachten der Landesanstalt für Immissionsschutz NW (LIS), der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe (LUFA) und den Erklärungen der in diesem Verfahren und in dem Verfahren 22 U 213/88, 22 U 255/88 und 22 U 236/88 OLG Hamm gehörten Sachverständigen … und … besteht in diesem Entfernungsbereich die Gefahr einer konkreten Kontamination in höherem Umfang als bei zunehmender Entfernung zum Werk. Nach dem Gutachten der LUFA aus März 1984 betrug der auf dem Grundstück des Klägers festgestellte Tl-Gehalt 2,82 mg/kg Boden. Diese Belastung liegt weit oberhalb des als noch tolerierbar anzunehmenden und bisher wissenschaftlich allgemein anerkannten Richtwertes von 1 mg Tl/kg Boden nach der „Kloke-Tabelle”. Sie übersteigt auch den Wert von 2 mg Tl/kg Boden, der nach der in der mündlichen Verhandlung überreichten Veröffentlichung der Dozenten … und … aus Oktober 1991 für Haus- und Kleingärten sowie landwirtschaftliche Nutzflächen, Obst- und Gemüseanbau maßgeblich sein soll, die wissenschaftliche Akzeptanz dieses neuen Wertes unterstellt. Dem Senat sind keine Untersuchungen oder Publikationen bekannt, die die Unbedenklichkeit noch höherer Werte als 2 mg Tl/kg Boden oder gar des konkret auf dem klägerischen Grundstück festgestellten Belastungswertes von 2,82 mg Tl/kg Boden vertreten.

In Kenntnis dessen, daß nach nunmehr gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis Tl im Boden gar nicht bzw. allenfalls äußerst geringfügig abgebaut wird, läßt der auf dem Grundstück des Klägers gemessene Wert von 2,82 mg/kg Boden unter Berücksichtigung des nach Kloke anzunehmenden Durchschnittswertes von 0,01 bis 0,5 mg/kg Boden zur Überzeugung des Senats den sicheren Schluß zu, daß das klägerische Grundstück durch die Tl-Emissionen des Zementwerks der Beklagten kontaminiert worden ist, zumal ein anderer Verursacher ausscheidet.

Der Beklagten ist zwar zuzugeben, daß in dem Gutachten der LUFA aus März 1984 nur ein Probenwert aus dem Garten des Klägers festgehalten worden ist, der nicht repräsentativ für die gesamte gärtnerisch nutzbare Fläche sein muß. Immerhin folgt der festgestellte Wert von 2,82 mg Tl/kg Boden aus einer Mischprobe, der 10 Einzelentnahmen zugrundeliegen (vgl. S. 6 des Gutachtens). Selbst wenn Teilbereiche des Gartens eine geringere Belastung aufwiesen als der Probewert, änderte das aber an der Feststellung der Kontaminierung des Klägerischen Grundstückes durch die Beklagte nichts.

Letztlich hat die Frage, ob das Grundstück des Klägers in richtwert-überschreitendem Maße belastet worden ist und wie hoch seine einzelnen Teilbereiche genau kontaminiert sind, auf die Haftungsbegründung der Beklagten keinen entscheidenden Einfluß. Der Senat hat schon bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen (Urteile in Sachen 22 U 236/87, 22 U 255/88), daß bereits die Gelegenheit des streitigen Grundstückes i...

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