Leitsatz (amtlich)

Zur Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Sicherungsabrede über die Gewährung einer Vertragserfüllungsbürgschaft.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 18.08.2015; Aktenzeichen 025 O 125/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.08.2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten.

Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Münster vom 18.08.2015 sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft zur Absicherung der Ansprüche aus einem Bauvertrag betreffend das Bauvorhaben "B" in N in Anspruch.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

In der Bürgschaftsurkunde heißt es auszugsweise wie folgt:

"Gemäß der vertraglichen Vereinbarung ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die vertragsgemäße Ausführung der ihm übertragenen Leistungen einschließlich der Abrechnung dem Auftraggeber eine Bürgschaft i.H.v. 10 % der Brutto-Auftragssumme zu stellen."

[...]

"Die Bürgschaft gilt für sämtliche Ansprüche, insbesondere für die Ansprüche aus Überzahlung des Auftragnehmers einschließlich der Zinsen, wegen Nichterfüllung, wegen Schlechterfüllung, aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung."

[...]

"Die Bürgschaft ist unbefristet. Sie ist bei mangelfreier Erfüllung des Vertrages, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, zurückzugeben. Dies gilt nicht, wenn zu dieser Zeit Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt sind."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift überreichte Kopie der Bürgschaftsurkunde Bezug genommen.

In dem von der Klägerin mit der mittlerweile insolventen Hauptschuldnerin geschlossenen Generalunternehmervertrag finden sich folgende, von der Klägerin vorformulierte Klauseln:

In § 4.13.3 heißt es unter anderem:

"Der Auftraggeber ist berechtigt, einen Gewährleistung-Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme in Abzug zu bringen. Der Sicherheitseinbehalt gilt für eine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von 5 Jahren als vereinbart.

[...]

Der Auftragnehmer kann den Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft gemäß § 11 Punkt zwei dieses Vertrages ablösen."

§ 11.1 enthält folgende Regelung:

"Zur Absicherung sämtlicher Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag übergibt der Auftragnehmer diesem bis spätestens 14 Tage nach Vertragsschluss eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 400.000 Euro.

[...]

Die Vertragserfüllungsbürgschaft muss textlich dem Muster der Anlage 17 entsprechen."

Zur Anlage 17 heißt es in § 2.1 i.V.m. § 2.1.17:

"Die Grundlage dieses Vertrages sind: Das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17)."

Des Weiteren enthält § 11.2 folgende Regelung:

"Nach Abnahme des Bauvorhabens hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Gewährleistungsbürgschaft zu übergeben. Die Übergabe erfolgt Zug-um-Zug gegen die Rückgabe der vorgenannten Vertragserfüllungsbürgschaft, soweit diese noch nicht in Anspruch genommen worden ist. [...]"

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift überreichte Kopie des Generalunternehmervertrages Bezug genommen.

Mit dem am 18.08.2015 verkündeten Teilurteil hat das LG die Klage abgewiesen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin vorlägen. Denn der Beklagten stünden gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen der Schuldnerin aus der Sicherungsabrede mit der Klägerin zu.

Habe der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam sei, so könne er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen habe.

Vorliegend sei die der Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede unwirksam, weil eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die Vertragsbedingungen vorliege. Diese unangemessene Benachteiligung liege darin, dass die Auftragnehmerin nach dem Generalunternehmervertrag für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin eine Sicherheit in Höhe von mehr als 10 % der Auftragssumme zu leisten habe. Die Sicherungsabrede zwischen de...

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