Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 41/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.06.2022 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger
- 595 Aktien der Q. AG sowie 297 Aktien der Q. K.,
- 565 Aktien der Y.,
- 2915 Aktien der J.
zu verschaffen, Zug um Zug gegen Zahlung von 23.973,85 EUR.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.293,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.02.2022 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsantrags bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 76.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Erfüllung eines Vermächtnisses.
Die Parteien sind Brüder. Die Eltern der Parteien setzten am 06.02.1996 ein gemeinschaftliches notarielles Testament auf, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben bestimmten. Der Überlebende sollte über den Nachlass frei verfügen können. Der Vater der Parteien, M. S., verstarb am 00.00.0000. Die Mutter der Parteien, W. S., verstarb am 00.00.0000. Sie hinterließ ein notarielles Testament vom 02.05.2018 (Bl. 8 ff. GA 1. Instanz). In diesem setzte sie den Beklagten zu ihrem Alleinerben ein. Zudem enthielt das Testament zugunsten des Klägers folgende Bestimmung:
"... Ich setze folgendes Vermächtnis aus: Mein Sohn P. S., geb. am 00.0.0000, zur Zeit wohnhaft in ... E., U.-straße. ..., soll zum Todeszeitpunkt das vorhandene Barvermögen einschl. Wertpapiere erhalten. ..."
Mit Schreiben vom 14.04.2021 (Bl. 11 ff. GA 1. Instanz) wandte sich die erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem Auskunftsverlangen an den Beklagten. In diesem heißt es unter anderem:
"... Da unser Mandant aufgrund der testamentarischen Regelung der Erblasserin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde, ist er gemäß § 2303 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Damit es unserem Mandanten möglich ist, die ihm zustehenden Pflichtteilsansprüche zu beziffern und geltend zu machen, besteht Ihnen gegenüber gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB ein Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses. Darüber hinaus ist zu Gunsten unseres Mandanten ein Vermächtnis ausgesetzt. ..."
Sodann wurden dem Beklagten umfangreich die Anforderungen an das geforderte Nachlassverzeichnis erläutert. Nachdem ausgeführt worden war, bis zu welchem Zeitpunkt die Übersendung des Nachlassverzeichnisses verlangt wird, wurde auf den Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch wie folgt eingegangen:
"... Der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein Anspruch auf Zahlung. Zwar kann die Höhe der Pflichtteilsansprüche unseres Mandanten erst nach erteilter Auskunft und gegebenenfalls Wertermittlung beziffert werden, jedoch sind der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Eintritt des Erbfalls zur Zahlung fällig. Ab diesem Zeitpunkt können sie durch eine, auch zunächst unbezifferte Zahlungsaufforderung in Verzug begründender Weise geltend gemacht werden (BGH Urteil vom 6.5.1981-IV a ZR 170/80, NJW 1981, 1729).Die genannten Ansprüche werden hiermit namens und in Vollmacht unseres Mandanten nochmals ausdrücklich geltend gemacht und bis zum 30.04.2021 zur Zahlung angemahnt. Mit erfolglosem Verstreichen der vorstehenden Frist tritt Verzug ein. Ab Verzugseintritt sind die vorgenannten Zahlungsansprüche dann nicht nur fällig, sondern auch verzinslich und zwar mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. ..."
Mit E-Mail vom 03.05.2021 (Bl. 135 GA 1. Instanz) wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten sodann an die Prozessbevollmächtigte des Klägers. Unter anderem formulierte er:
"... Die von Ihnen geltend gemachten und auf § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB gestützten Auskunftsansprüche werden hiermit zur Vorbereitung der Entscheidung Ihres Auftraggebers, ob er unter Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteil verlangt, anerkannt (vgl. § 2307 Abs. 1 BGB). ..."
Es wurde sodann von Seiten des Beklagten unter dem 12.07.2021 an den Kläger ein Nachlassverzeichnis (Bl. 22 ff. GA 1. Instanz) übersandt und darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Verlangen vom 14.04.2022 konkludent das Vermächtnis ausgeschlagen habe.
Im Nachlass der Erblasserin befinden sich folgende Geldbestände und Wertpapiere:
Konten und Bargeld:
- DE N01: 14.817,00 EUR
- DE N02: 27.759,00 EUR
- Barbestand Tresor: 4.800,00 EUR
- Portemonnaie: 50,31 EUR
- Volksbank F.: 161,81 EUR
Wertpapiere mit Kurswert zum Todestag:
- Aktien der Q. AG: 34.292,00 EUR
- Aktien der Y.: 14.639,00 EUR
- Aktien der J.: 43.824,00 EUR
Aus dem Nachlassverzeichnis ergibt sich ein realer Nachlass in Höhe von 150.53...