Leitsatz (amtlich)

Eine erhöhte Kohlendioxidemission ist neben erhöhtem Kraftstoffverbrauch kein gesonderter Fahrzeugmangel.

 

Normenkette

BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 323 Abs. 5 S. 2; Pkw-EnVKV; RL 1999/94/EG; RL 80/1268/EWG

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 03.12.2010; Aktenzeichen 12 O 165/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 3.12.2010 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des am 24.6.2008 mit der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, geschlossenen Kaufvertrags über das Neufahrzeug "G" (§ 346 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 434 Abs. 1, § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB).

1. a) Der im Datenblatt, welches in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug lag, mitgeteilte Kraftstoffverbrauch gehörte zu der Beschaffenheit, die der Käufer erwarten durfte (§ 434 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Die Angabe eines Kraftstoffverbrauchs von 7,1 Liter auf 100 Kilometer im kombinierten Betrieb bezog sich allerdings nicht auf das konkret erworbene Einzelfahrzeug in der Fahrweise des individuellen Käufers, sondern wurde unter Laborbedingungen festgestellt. Im Datenblatt heißt es unmissverständlich:

"Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen."

Ein solcherart formulierter Hinweis ist nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichungsverordnung (Pkw-EnVKV) zulässig und dient der Vorbeugung vor Missverständnissen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rz. 302). Die vorgenannte Rechtsverordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxidemissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (ABl. EG 2000 Nr. L 12, 16).

b) Gemäß § 47d StVZO sind die Kohlendioxidemissions- und Kraftstoffverbrauchswerte für Kraftfahrzeuge, die - wie hier - dem Anwendungs-bereich der Richtlinie 80/1268/EWG des Rates vom 16.12.1980 über die Kohlendioxidemissionen und den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen (ABl. EG Nr. L 375, 36) unterfallen, gemäß den Anforderungen dieser Richtlinie zu ermitteln. Entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung folgt aus der Richtlinie 80/1268/EWG (in der zuletzt maßgeblichen Fassung) nicht, dass es auf den Kraftstoffverbrauch des individuellen Fahrzeugs im jeweiligen Betrieb durch den Käufer ankommt. Das ergibt sich auch nicht daraus, dass auf das "betriebsbereite" Fahrzeug abgestellt wird. Das bezieht sich nicht auf das vom jeweiligen Käufer erworbene und von ihm gefahrene Fahrzeug, sondern auf ein näher bestimmtes Prüffahrzeug, das bestimmte Prüfbedingungen erfüllen muss. Die Angabe des Kraftstoffverbrauchs im Datenblatt bedeutet somit nicht, dass diese Werte von dem konkreten Fahrzeugerwerber in seiner eigenen, täglichen Fahrpraxis erreichbar sein müssen. Die Herstellerangaben, die auf der vorgenannten EG-Richtlinie aufbauen, sind nicht am alltäglichen Betrieb, sondern ihrerseits nur an EG-Richtlinien zu messen (OLG Karlsruhe, NZV 2008, 414; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.2010 - 2 U 1487/09, BeckRS 2011, 00451; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 306).

c) Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zu. Der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug im kombinierten Betrieb 7,7 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer verbraucht. Der Mehrverbrauch gegenüber 7,1 Litern beläuft sich damit auf 8,45 %. Eine solche Abweichung stellt zwar einen Fahrzeugmangel dar, berechtigt den Käufer jedoch nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es eine nur unerhebliche Pflichtverletzung, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 % von den Herstellerangaben abweicht (BGH, Beschl. v. 5.8.2007 - VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111, zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB; s. bereits Urt. v. 18.6.1997 - VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94, zu § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.).

d) Unbeschadet dessen kommt hinzu, dass das erstinstanzliche Sacherständigengutachten einen Irrtum enthält, der sich zugunsten des Klägers auswirkt, so dass die Abweichung tatsächlich geringer als 8,45 % ausfällt. Dies hat sich bei der Anhörung des vom Senat beauftragten Sachverständigen herausgestellt. Der erstinstanzliche Gutachter hat nicht allein auf Herstellerangaben abgestellt, sondern, wie im ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?