Entscheidungsstichwort (Thema)
(Reise-) Krankenversicherung: Folgen eines Suizidversuchs vorsätzlich herbeigeführt. Unfall i.S.d. § 201 VVG
Leitsatz (amtlich)
1.) Für einen Unfall i.S.v. § 201 VVG reicht es aus, dass die Ursache der Gesundheitsstörung ein äußeres Ereignis ist. Nicht maßgeblich ist in der privaten Krankenversicherung der Unfallbegriff aus der privaten Unfallversicherung. Der Suizidversuch der in der privaten Krankenversicherung versicherten Person erfüllt hiernach die Merkmale des Unfallbegriffs gem. § 201 VVG.
2.) Der gem. § 201 VVG für das Eingreifen des Leistungsausschlusses erforderliche Vorsatz des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person muss sich lediglich auf die Krankheit oder den Unfall beziehen, nicht hingegen auf die Notwendigkeit medizinischer Behandlung oder der mit ihr verbundenen Kosten.
3.) Derjenige, der aus dem Leben scheiden will, nimmt eine schwere Gesundheitsbeschädigung als für den Eintritt seines Todes notwendiges Durchgangsstadium zumindest billigend in Kauf, weil er den angestrebten Erfolg ohne schwerwiegende Verletzung seines Körpers nicht erreichen kann.
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 16.01.2014) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.1.2014 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nahm bei der Beklagten für eine Reise nach ... im Juni 2011 eine Reiseversicherung unter Einschluss einer Reisekrankenversicherung. Es gelten die Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen der Beklagten (VB-ERV/TUI2011), die für die Reisekrankenversicherung in § 6 unter der Überschrift "Ausschlüsse/Einschränkungen" u.a. vorsehen:
"1. Nicht versichert sind
(...)
f) auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle und deren Folgen;
(...)"
Wenige Tage nach Ankunft in ... am 23.6.2011 beabsichtigte die Klägerin- möglicherweise veranlasst durch den Tod ihres Ehemannes am 27.12.2010 - sich in ihrem Hotelzimmer das Leben zu nehmen, indem sie sich die Pulsadern aufschnitt. Die Klägerin wurde hierbei vom Hotelpersonal aufgefunden und notfallmäßig auf die Intensivstation eines Krankenhauses verbracht. Für die einwöchige stationäre Behandlung der Klägerin fielen Kosten zur Gesamthöhe von umgerechnet 8.306,01 EUR an, deren Erstattung die Klägerin mit der vorliegenden Klage begehrt hat.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der in den Bedingungen der Beklagten bedungene, der gesetzlichen Regelung in § 201 VVG nachempfundene Ausschluss für auf Vorsatz beruhenden Unfällen und deren Folgen greife nicht. Sie sei zum Selbstmord fest entschlossen gewesen und nicht davon ausgegangen, dass sie den Suizidversuch überleben werde. Insoweit fehle es in Ansehung der erfolgten Behandlung am Vorsatz. Ihr Verhalten unterfalle auch nicht dem Unfallbegriff, da es insoweit am Merkmal der "Unfreiwilligkeit" fehle.
Die Beklagte hat sich auf den bedungenen Leistungsausschluss berufen und geltend gemacht, dass sich der Vorsatz nur auf den Unfall, nicht auch auf dessen Folgen beziehen müsse. Zudem, so hat sie gemeint, sei eine Gesundheitsbeschädigung ein vom Vorsatz notwendigerweise erfasstes Durchgangsstadium für eine (fehlgeschlagene) Selbsttötung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 16.1.2014 (GA 30 ff.) verwiesen.
Das LG hat die Klage mit dem angefochtenen - in zfs 2014, 285 sowie r+s 2014, 291 veröffentlichten - Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aus der bei der Beklagten genommenen Reisekrankenversicherung nicht zu. Die Beklagte könne sich auf den bedungenen Leistungsausschluss für auf Vorsatz beruhenden Krankheiten und Unfällen und deren Folgen berufen. Bei dem Selbstmordversuch der Klägerin handele es sich um einen vorsätzlich herbeigeführten Unfall und bei der sich anschließenden ärztlichen Behandlung um dessen Folgen. Der Unfallbegriff habe in der Krankenversicherung in § 192 VVG keine gesetzliche Definition erfahren; ebenso wenig enthielten die Bedingungen der Beklagten eine solche Definition. Der Unfallbegriff aus der privaten Unfallversicherung könne schon deshalb nicht herangezogen werden, weil bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nur die vereinbarte Vertragsklausel den Gegenstand der Auslegung bilde. Im Übrigen komme eine Heranziehung des Unfallbegriffs aus der privaten Unfallversicherung auch deshalb nicht in Betracht, weil dann die im Leistungsausschluss verwendete Wendung von auf Vorsatz beruhenden Unfällen ein Widerspruch in sich wäre. Denn zum Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung gehöre die Unfreiwilligkeit per definitionem. Auf einen möglicherweise dahin gehenden Willen des B...