Leitsatz (amtlich)
1. Verletzt sich der Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung dadurch, dass er als Fußballtorwart beim Abschlag durch den Aufprall des Balles auf den Vorderfuß einen Muskelriss im gestreckten Bein erleidet, liegt ein von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis im Sinne der Unfallversicherungsbedingungen vor. In einem solchen Fall, in dem erst die "Kollision" des Versicherten mit der Außenwelt - hier mit dem Fußball - die Gesundheitsschädigung unmittelbar herbeiführt, ist nicht zu prüfen, ob auch eine Eigenbewegung des Versicherten im Zusammenspiel mit äußeren Einflüssen als Unfall angesehen werden kann (im Anschluss an BGH NJW-RR 2011, 1328).
2. Der Umstand, dass der Abschlag selbst gewollt war, betrifft nicht die "Einwirkung von außen", sondern die von den Unfallversicherungsbedingungen weiter geforderten Merkmale "plötzlich" und "unfreiwillig". Auch ein geplanter und nach Plan ablaufender Vorgang in einer kurzen Zeitspanne ist "plötzlich"; das Merkmal "unfreiwillig" bezieht sich auf die Gesundheitsschädigung, nicht auf das Unfallereignis, das die Verletzung herbeiführt.
Normenkette
AUB
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 09.09.2011; Aktenzeichen 12 O 24111/09) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 9.9.2011 - Az. 12 O 24111/09 - wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte, bei der er unfallversichert ist, einen Anspruch auf weitere Invaliditätsleistung nach einer Verletzung beim Fußballspielen geltend. Der Kläger führte am 19.11.2006 als Torwart bei einem Fußballspiel einen Abschlag aus und spürte beim Zusammentreffen des linken Fußes mit dem Ball einen stechenden Schmerz in der linken Leiste. In der Folge machte er Invaliditätsansprüche gegenüber der beklagten Versicherung geltend. Diese leistete nach von ihr veranlassten ärztlichen Begutachtungen mit Schreiben vom 13.3.2009 eine Invaliditätsentschädigung von 7.210 EUR unter Zugrundelegung eines Invaliditätsgrades des linken Beines von 1/20 Beinwert.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger weitere 7.210,- EUR zzgl. Nebenforderungen von der Beklagten unter Berufung darauf, dass aufgrund der Verletzung am linken Bein ein Dauerschaden von 1/10 Beinwert aufgetreten sei. Zu der Verletzung sei es dadurch gekommen, dass er sich den Ball versehentlich zu weit vom Körper entfernt vorgelegt habe. Um den Ball noch mit dem Fuß erreichen zu können, habe er das linke Bein und den linken Fuß, mit dem er den Tritt ausführte, maximal gestreckt. Beim Auftreffen des Balles habe er eine Abrissfraktur des Muskels erlitten.
Die Beklagte bestreitet prozessual in erster Linie das Vorliegen eines Unfalls im Sinne der Versicherungsbedingungen und hilfsweise eine Dauerbeeinträchtigung der Beinfunktion links zu mehr als 1/20.
Die einschlägigen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2000) der Beklagten lauten auszugsweise wie folgt:
Ziff. 1.3:
Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.
Ziff. 1.4:
Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule
- ein Gelenk verrenkt wird oder
- Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.
Das LG hat nach informatorischer Anhörung des Klägers zum Unfallhergang, Erholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens und zweier radiologischer Zusatzgutachten sowie mündlicher Anhörung des orthopädischen Sachverständigen der Klage bis auf einen Teil der Nebenforderungen stattgegeben. Es hat einen Unfall im Sinne der Ziff. 1.3 der AUB 2000 bejaht - unter Bezugnahme insbesondere auf ein Urteil des BGH vom 12.12.1984, VersR 1985, 177 -, und hilfsweise die Verurteilung darauf gestützt, dass es sich jedenfalls um ein unfallähnliches Ereignis im Sinne der Ziff. 1.4 AUB 2000 wegen erhöhter Kraftanstrengung gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie eine Klageabweisung erreichen möchte. Sie rügt in erster Linie eine fehlerhafte Auslegung des Unfallbegriffs durch das LG. Denn es habe sich bei dem Abschlag um eine vollständig beherrschte Eigenbewegung gehandelt. Der Kläger habe nach eigener Angabe sein linkes Bein vollständig gestreckt, um den Ball (zumindest) mit dem Vorderfuß zu treffen, was ihm auch geglückt sei. Dass bei dieser vollständig beherrschten Bewegung ein Muskelriss aufgetreten sei, rechtfertige nicht die Annahme eines Unfallereignisses, was auch späteren Entscheidungen des BGH zu entnehmen sei. Maßgeblich sei danach vielmehr eine planwidrige Bewegung. Entgegen der Urteilsgründe sei die Einwirkung des Balles auf den Fuß nicht "plötzlich" gewesen, habe vielmehr im Rahmen der willkürlichen Eigenbewegung gel...