Leitsatz (amtlich)

Zur Duldungspflicht einer von Dachziegeln ausgehenden Blendwirkung durch Nachbarn.

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 186/16)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 08.01.2018 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO)

A. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, soweit sich die Kläger gegen die von den engobierten Dachpfannen auf dem Haus des Beklagten ausgehende Blendwirkung zur Wehr setzen.

I. Die von den Klägern erhobene Klage ist zulässig. Insbesondere mangelt es dem Klageantrag nicht an hinreichender Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Senat nimmt insoweit zwecks Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung und schließt sich diesen an.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten über den vom Landgericht bereits zuerkannten Anspruch hinaus weder einen Anspruch auf Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB noch auf künftige Unterlassung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB der von den engobierten Dachziegeln ausgehenden Blendwirkung auf ihr Grundstück.

1. Zwar beeinträchtigen die vom Dach des Hauses des Beklagten ausgehenden Lichtreflexionen das Grundeigentum der Kläger.

Nach der Inhaltsbestimmung des zivilrechtlichen Eigentums in § 903 S. 1 BGB kann der Eigentümer andere im Rahmen der Rechtsordnung von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen. Diese Ausschließungsbefugnis konkretisiert § 1004 Abs. 1 BGB zum Beseitigungsanspruch. Demzufolge erfüllt jede Einwirkung, die der Eigentümer zu dulden nicht bereit ist, den Tatbestand der Beeinträchtigung in § 1004 BGB (BGH NJW 2013, 1809, 1810, Tz. 14; BeckOK BGB/Fritzsche, 50. Ed. 1.5.2019, BGB § 1004 Rn. 37).

Im Streitfall kommt es unstreitig während bestimmter Uhrzeiten bei Sonnenschein bzw. hellem Mondschein zu vom Grundstück des Beklagten ausgehenden Immissionen durch Zuführung unwägbarer Stoffe in Form von Reflexionen des Sonnen- bzw. Mondlichts im Sinne von § 906 BGB (vgl. zur Haftung für Blendwirkungen OLG Stuttgart BeckRS 2009, 05428; OLG Karlsruhe NJOZ 2014, 1010, 1011; OLG Düsseldorf NJOZ 2018, 652, 653, Tz. 12; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl., § 1004, Rn. 9, 11; Wellenhofer, JuS 2018, 384, 385).

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Kläger zur Duldung der Lichtreflexionen gemäß § 1004 Abs. 2 verpflichtet sind, da es sich lediglich um unwesentliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB handelt.

a) In Gesetzen oder Verordnungen festgelegte verbindliche Richtwerte im Sinne von § 906 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, deren Überschreitung eine wesentliche Beeinträchtigung indizierte, sind insoweit nicht ersichtlich. Lediglich vereinzelte landesrechtliche Bestimmungen - nicht jedoch in Nordrhein-Westfalen - legen für die von Photovoltaikanlagen ausgehende Leuchtdichte einen Grenzwert von 100.000 cd/m2 fest, wie der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. L im Kammertermin vor dem Landgericht am 18.12.2017 sowie ergänzend im Senatstermin vom 22.11.2018 ausgeführt hat. Normen, welche die Blendwirkungen, die zulässigerweise von Dachpfannen ausgehen dürfen, regelten, gebe es nicht.

b) Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist daher das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls wie die Dauer der Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nutzung des betroffenen Grundstücks abzustellen ist (vgl. OLG Stuttgart BeckRS 2009, 05428; OLG Karlsruhe NJOZ 2014, 1010, 1011; OLG Düsseldorf NJOZ 2018, 652, 653, Tz. 15; Palandt/Herrler, a. a. O., § 906, Rn. 17).

c) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die vom Grundstück des Beklagten ausgehenden Beeinträchtigungen die Schwelle der nur unwesentlichen Beeinträchtigung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht überschreiten.

aa) Der Sachverständige Dr. L, welcher sich bereits zuvor in mehreren Gutachten mit den hier maßgeblichen Fragen der Bewertung von Blendwirkungen als Sachverständiger zu beschäftigen hatte und an dessen Sachkunde der Senat keinen Zweifel hat, hat anlässlich seines Ortstermins am 06.07.2017 die Leuchtdichte auf dem Dach des Hauses des Beklagten von der Terrasse der Kläger aus im Zeitraum zwischen 10:30 Uhr und 12:30 Uhr gemessen.

Die Leuchtdichte im Bereich der mittleren Dachfläche, die mit den engobierten Dachziegeln belegt ist, überschreitet Werte von 54.000 cd/m2 nicht. In der Zeit bis 11:15 Uhr lagen diese Werte lediglich bei max. 5.000 cd/m2. We...

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