Entscheidungsstichwort (Thema)
AKB 2008: Wirksamkeit der Bedingungen zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung; Redlichkeitsvermutung bei behauptetem Diebstahl
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bedingungen zur Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung der AKB 2008 (in der Fassung der GDV-Musterbedingungen) sind wirksam. Der Umstand, dass die Regelung des § 28 Abs. 4 VVG (Hinweis des Versicherers nach Versicherungsfall) dort nicht erwähnt ist, führt nicht zur Unwirksamkeit (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 2. April 2014 - IV ZR 58/13, Rn. 21, r+s 2015, 347; Abweichung von LG Berlin, Urteil vom 2. Dezember 2016 - 42 O 199/16, r+s 2017, 344).
2. Eine Lüge vor Gericht bei der Geltendmachung eines Kaskoanspruchs wegen Diebstahls kann dazu führen, dass die für den Versicherungsnehmer streitende "Redlichkeitsvermutung" widerlegt ist (hier Widerlegung bejaht).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.07.2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Kaskoversicherung auf Entschädigung für einen behaupteten Teilediebstahl an einem Porsche 911 in Anspruch.
Die vereinbarten Versicherungsbedingungen entsprechen, soweit relevant, den Musterbedingungen AKB 2008 des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Das versicherte Kraftfahrzeug stand am späten Abend des 27.03.2014 ohne Räder und Scheinwerfer auf dem Gehweg A.straße 70 in A.
Der Kläger hat behauptet: Er habe den Porsche dort gegen 20.00 Uhr unversehrt stehen gelassen, nachdem er in der dort von ihm angemieteten Garage gearbeitet habe, und sei zu seiner Freundin, der Zeugin B, in X gefahren. Gegen 23.00 Uhr habe er dort einen anonymen Anruf auf seinem Mobiltelefon erhalten. Der Anrufer habe gesagt "Porsche weg Felgen Backsteine". Der Kläger habe sich dann mit dem Pkw der Zeugin B auf den Weg gemacht und sei ca. 20 Minuten später am Abstellplatz eingetroffen. Ein Dritter oder Dritte hätten ohne seine Beteiligung Räder und Scheinwerfer entwendet. Er, der Kläger, habe den Porsche danach in Eigenleistung repariert und in einer Werkstatt lackieren lassen.
In dem Gespräch bei seinem vormaligen Rechtsanwalt R am 23.06.2014 habe der von der Beklagten beauftragte Zeuge V erstmals eine Nachbesichtigung des versicherten Fahrzeugs gefordert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der Anträge und der Begründung des Urteils wird auf dieses Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Er trägt unter anderem vor:
Er habe sich trotz seines - unstreitig - geringen Lohnes den Porsche leisten können, und zwar neben einem Kleinwagen.
Er habe auch sonst gelegentlich den Porsche nicht in der gemieteten Garage oder auf dem durch ein Tor geschlossenen Hof vor der Garage abgestellt, sondern auf dem Gehweg an der Straße. Die Garage sei an diesem Abend voll gewesen.
Der Kläger beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 31.472,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2014 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 749,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.533,61 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2014 sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 490,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet einen Teilediebstahl und macht geltend, eine Vortäuschung durch den Kläger sei erheblich wahrscheinlich.
Zudem beruft sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit. Der Kläger habe arglistig seine Obliegenheiten verletzt, indem er sich - was unstreitig ist - geweigert habe, Fragen des von der Beklagten Beauftragten, V, zu beantworten und das Fahrzeug näher untersuchen zu lassen.
Der Senat hat im Termin am 06.04.2016 den Kläger angehört, die Zeugen B, M und N vernommen und dann (im Hinblick auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung) ein technisches Gutachten des Sachverständigen S eingeholt.
Der Kläger hat in diesem ersten Termin unter anderem erklärt, der von der Beklagten beauftragten Zeuge V habe im Gespräch mit seinem vormaligen Rechtsanwalt R eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs verlangt, als sich dieses in einer Werkstatt befunden habe. Er habe den Standort des Wagens nicht mitteilen wollen, weil er befürchte...