Leitsatz (amtlich)

1. Korrektur der Gasversorgungsrechnung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GasGVV wegen fehlerhafter Verbrauchserfassung durch einen defekten Gaszähler.

2. Schätzung des Gasverbrauchs entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 1 GasGVV.

 

Normenkette

GasGVV §§ 11, 18

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen I-8 O 520/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.3.2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.988,33 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.705,25 EUR seit dem 10.7.2009 und aus 7.283,08 EUR seit dem 29.9.2009 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden zu 12 % der Klägerin und zu 88 % dem Beklagten auferlegt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil verwiesen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie rügt eine fehlerhafte Berechnung des Gaspreises für den Abrechnungszeitraum vom 28.3.2008 bis zum 28.3.2009. Für die Preisberechnung könne nicht der vom LG berechnete durchschnittliche Verbrauchspreis zugrunde gelegt werden. Auf diese Weise blieben die Geltung der Preisstufen und der jahreszeitliche Verbrauchsunterschied unberücksichtigt. Vielmehr müsse der in der Abrechnung vom 9.6.2009 ermittelte Gaspreis verhältnismäßig herabgesetzt werden. Danach ergebe sich eine weitere Forderung von 1.881,05 EUR.

Ein weiterer Zahlungsanspruch ergebe sich auch für den Verbrauchszeitraum vom 27.3.2007 bis zum 27.3.2008. Auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 alt. 2 GasGVV könne eine Nachberechnung erfolgen, da der Verbrauch fehlerhaft gemessen worden sei. Es sei ausgeschlossen, dass der Beklagte in diesem Zeitraum 40 % weniger Gas verbraucht habe als im Vorjahreszeitraum.

Sie beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 22.988,33 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.7.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die Erklärungen der Parteien zu Protokoll verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. insgesamt 22.988,33 EUR gem. §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB aus dem zwischen den Parteien bestehenden Energielieferungs- und Versorgungsvertrag.

1. Wegen der Forderung aufgrund der Lieferung von Strom in dem Zeitraum vom 28.3.2008 bis zum 28.3.2009 und von Gas in dem Zeitraum vom 27.3.2007 bis zum 27.3.2008 i.H.v. 13.824,27 EUR wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Insoweit haben die Parteien die erstinstanzliche Entscheidung nicht angegriffen.

2. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen den Beklagten für den Abrechnungszeitraum vom 27.3.2007 bis zum 27.3.2008 einen Anspruch auf Zahlung weiterer 7.283,08 EUR aus §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 26 EnWG, § 18 Abs. 1 S. 1 GasGVV. Die für diesen Zeitraum erteilte Abrechnung vom 14.4.2008 beruht auf einem Berechnungsfehler. a) Die Abrechnung vom 14.4.2008 konnte gem. § 18 Abs. 1 S. 1 GasGVV korrigiert werden, da sie auf einer fehlerhaften Verbrauchserfassung durch eine defekte Verbrauchsuhr beruht (vgl. Hempel/Franke-Hempel, AVBeltV 1997, § 21 Rz. 24, 33; Steenbuck in MDR 2010, 357, 360). Die Klägerin hat am 27.4.2009 festgestellt, dass der Zähler der Verbrauchsuhr des Beklagten zum Stillstand gekommen war. Der Beklagte hatte den Zählerdefekt zunächst bestritten. Nach Vorlage der Befundprüfung vom 27.4.2009 stellt der Beklagte den Defekt nicht mehr in Abrede. Ansprüche des Versorgers wegen eines Messfehlers sind gem. § 18 Abs. 2 alt. 1 GasGVV grundsätzlich auf den der Feststellung vorhergehenden Abrechnungszeitraum beschränkt, es sei denn die Auswirkung des Fehlers kann über einen größeren Zeitraum festgestellt werden. Im vorliegenden Fall ist eine Nachberechnung für den Abrechnungszeitraum vom 27.3.2007 bis zum 27.3.2008 zulässig. Es steht zweifelsfrei fest, dass der Zählerstillstand bereits in dem vorangegangenen Abrechnungszeitraum vom 27.3.2007 bis zum 27.3.2008 aufgetreten ist und sich auf den in diesem Zeitraum ermittelten Gasverbrauch ausgewirkt hat. Zwar ist es möglich, dass der Zähler unmittelbar vor der Ablesung am 27.3.2009 zum Stillstand geraten ist und der Defekt die Abrechnung vom 14.4.2008 nicht beeinflusst hat. Der Vergleich des in diesem Abrechnungszeitraum festgestellten Gasverbrauchs von 21.027 m3 mit den Verbrauchszahlen für den Vorjahreszeitraum sowie für den Zeitraum...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge