Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsabhänderung: Darlegungs- und Beweislast eines Unterhaltspflichtigen im Zusammenhang mit behauptetem Eintritt von Erwerbsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Stützt ein minderjährigen Kindern gegenüber Unterhaltsverpflichteter sein Abänderungsbegehren auf die Veränderung seiner Einkommensverhältnisse durch Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit, ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig. Widersetzt sich der Unterhaltspflichtige der Beweisaufnahme nach Erlass eines Beweisbeschlusses und Bestellung eines Sachverständigen, kann die Begutachtung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erzwungen und der Beweis der Erwerbsunfähigkeit somit ggf. nicht geführt werden.

 

Normenkette

BGB § 1601; ZPO § 323 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Ahaus (Urteil vom 04.08.2009; Aktenzeichen 11 F 50/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG - Familiengericht - Ahaus vom 4.8.2009 (Az. 11 F 50/09) dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 1 ZPO):

I. Die Beklagten sind die Kinder des Klägers aus dessen geschiedener Ehe. Die Beklagte zu 1 ist am 3.1.1999, der Beklagte zu 2 am 1.3.2000 und die Beklagte zu 3 am 29.8.2001 geboren.

Der Kläger ist mit Urteil des AG Ahaus vom 15.8.2006 (Az: 11 F 107/05, GA 6) zur Unterhaltszahlung an seine drei Kinder i.H.v. 100 % des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung verpflichtet worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers ist mit Urteil des 12. Familiensenats des OLG Hamm vom 12.9.2007 zurückgewiesen worden (Az: 12 UF 261/06, GA 10). Dabei ist das - sachverständig beratene - OLG davon ausgegangen, der Kläger sei erwerbsfähig und könne ein Nettoeinkommen i.H.v. rund 1.800 EUR erzielen. Hinzu komme eine Rente. Damit sei der Kläger leistungsfähig.

Der Kläger, diplomierter Elektrotechniker, war bis Ende 1999 selbständig tätig. Er entwickelte, produzierte und installierte Steuerungen für Flüssigfütterungsanlagen in der Landwirtschaft. Im Jahr 2000 verkaufte er die Firma. Anschließend war er auf Honorarbasis als Dozent tätig. Auch diese Tätigkeit stellte er nach der Trennung von der Mutter der Beklagten ein. Aufgrund eines Leidens der Atemwege ist er mit einem GdB von 20 v.H. als schwerbehindert anerkannt.

In der Folge der Trennung und mehrerer familiengerichtlicher Verfahren wurde der Kläger vermehrt wegen psychischer Leiden behandelt. Seiner Argumentation, er sei deshalb nicht mehr erwerbsfähig, sind in dem genannten Ursprungsverfahren weder das Amts- noch das OLG gefolgt. Dieser Auffassung der Gerichte lagen zugrunde Gutachten der Sachverständigen X und Dr. S aus dem Jahr 2007.

Der Kläger bezieht eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 717,14 EUR. Für die Krankenversicherung wendet er 143,64 EUR auf. Er wohnte bis Ende August 2010 in einem Haus, für das er Arbeitsleistungen zu erbringen und die Nebenkosten zu tragen hatte. Miete zahlte er nicht. Zum 1.9.2010 hat der Kläger eine anderweitige Wohnung angemietet. Ferner entstehen ihm Kosten für den Umgang mit den drei Beklagten an 1 ½ Tagen wöchentlich.

Die Beklagten verfügen über keine eigenen Einkünfte. Das staatliche Kindergeld erhält die Kindesmutter, bei der die Beklagten leben.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei arbeitsunfähig erkrankt und könne keinen Kindesunterhalt mehr zahlen.

Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt und vorgetragen, eine Abänderung des Unterhaltstitels sei nicht angezeigt. Der Kläger könne arbeiten. Zudem sei ihm ein Wohnvorteil zuzurechnen, weil er mietfrei wohne.

Mit dem angefochtenen Urteil ist der Unterhaltstitel dahingehend abgeändert worden, dass der Kläger ab April 2009 nur noch Unterhalt i.H.v. monatlich 70 EUR je Kind zu zahlen hat. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, die titulierten Unterhaltsbeträge zu zahlen. Er sei jetzt erwerbsunfähig aufgrund einer psychischen Erkrankung. Das ergebe sich aus der Begutachtung durch den Psychiater Dr. O vom Gesundheitsamt des Kreises C. Die Erkrankung des Klägers habe zu einer nachhaltigen und schweren Beeinträchtigung der psychosozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit geführt. Andererseits beziehe der Kläger aber eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 700,16 EUR. Hinzu komme ein Betrag i.H.v. 300 EUR, weil er mietfrei wohne und lediglich Arbeitsleistungen erbringen müsse. Deshalb sei es angemessen, dass der Kläger jedem Kind 70 EUR zahle.

Dagegen wenden sich die beklagten Kinder, die mit der Berufung die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage begehren. Der Kläger sei nicht erwerbsunfähig.

Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

Auch der Kläger greift das angefochtene Urteil mit einer Berufung an. Er macht ge...

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