Leitsatz (amtlich)
Unbeschadet des Umstands, dass bei einem Gebrauchtwagen, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen ist, stellt ein solcher Verschleißgrad einen Sachmangel dar, der den normalen Nutzer unter gewöhnlichen Umständen zum Auswechseln des Verschleißteiles veranlasst hätte.
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 476
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 25.01.2009; Aktenzeichen 4 O 188/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25.11.2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Paderborn teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Dem Kläger, der von dem Beklagten, der mit Kraftfahrzeugen handelt, Schadenersatz statt der Leistung in Gestalt von Reparaturkosten für von ihm beanstandete Mängel des am 6.6.2008 gekauften Gebrauchtwagens P (Erstzulassung 1999) verlangt, steht ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB i.V.m. §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434, 437 Nr. 3 BGB insgesamt nicht zu.
1. Es kann entgegen der Annahme des LG nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem gerügten Lagerpfeifen des Getriebes, dem Spiel im rechten Spurstangenkopf, dem Ablösen des Anschlagrings am Auspuff und dem Schiefstand des Lenkrades um Sachmängel zur Zeit der Übergabe (§ 434 Abs. 1 BGB) handelt.
a) Der vom Senat beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. V hat im Rahmen seines im Senatstermins mündlich erstatteten Gutachtens ausgeführt, dass es das Lagerpfeifen des Getriebes, das auf einem erhöhten Spiel der mit der Zeit abgenutzten Zahnflanken der Zahnräder beruht, eine typische Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinung an einem Getriebe mit der hier in Rede stehenden Laufleistung darstellt.
aa) Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Sache mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Im Streitfall kommt ein Sachmangel nur unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt in Frage; auch dieser greift jedoch nicht ein.
Beim Gebrauchtwagenkauf ist die Frage nach der Grenze der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Dabei ist davon auszugehen, dass aufgrund des Gebrauchs und des Alterungsprozesses Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen unvermeidlich sind. Gehen diese Erscheinungen nicht über das hinaus, was bei einem Fahrzeug des betreffenden Typs angesichts seines Alters und seiner Laufleistung normalerweise zu beobachten ist, so kann von einem Sachmangel nicht gesprochen werden. Normale Verschleiß-, Abnutzungs- und Alterungserscheinungen sind somit aus dem Sachmangelbegriff auszuklammern (BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434, Tz. 19; v. 10.10.2007 - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, Tz. 19; v. 10.3.2009 - VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588, Tz. 13; OLG Hamm, NJOZ 2008, 152; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rz. 1515, m.w.N.).
Mit sofortiger Funktionsuntauglichkeit oder gar Verkehrsunsicherheit braucht der Gebrauchtwagenkäufer allerdings im Allgemeinen nicht zu rechnen. Denn der Verkäufer schuldet die Funktionstüchtigkeit, wenn nichts anderes vereinbart ist, auch beim Verkauf gebrauchter technischer Geräte als Normalbeschaffenheit (BGHZ 128, 307 [310]). Dies führt dazu, dass ein Verschleißgrad, der den normalen Nutzer unter gewöhnlichen Umständen zum Auswechseln des Verschleißteils veranlasst, einen Mangel darstellt, wenn das technische Gerät ohne Austausch - und ohne Hinweis auf die Erneuerungsbedürftigkeit - verkauft wird (zur Nichtauswechselung auswechselungsbedürftiger Verschleißteile als Sachmangel s. OLG Düsseldorf, DAR 2007, 211, 212; OLG Koblenz, NJW 2007, 1828; Reinking/Eggert, a.a.O., Rz. 1515, 1535 f.; Senatsurteil vom 7.3.2002 - 28 U 147/01, n. v. - sog. "Wellentheorie").
bb) Nach diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor. Die vom erstinstanzlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. T bei dessen Fahrzeugbegutachtung am 28.9.2009 bei einer Laufleistung von 178.928 km festgestellte Abnutzung der Zahnflanken stellt nach den überzeugenden Darlegungen des vom Senat mit der Erstattung eines ergänzenden Gutachtens beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. V keinen Verschleißgrad dar, der den gewöhnlichen Nutzer zum Auswechs...