Leitsatz (amtlich)
Bei sog. Serienfehlern oder Konstruktionsfehlern an Kraftfahrzeugen, die auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden, kann bei der Beurteilung der Frage, ob ein Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vorliegt, als Vergleichsmaßstab nicht allein auf Fahrzeuge des gleichen Typs abgestellt werden. Vielmehr ist ein herstellerübergreifender Vergleich anzustellen. Maßstab muss das ggf. mit Sachverständigenhilfe zu ermittelnde Niveau sein, das nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller erreichen und das der Markterwartung entspricht. Bei Konstruktionsmängeln scheidet die Annahme eines Mangels nur dann aus, wenn dem Käufer das Problem vernünftigerweise bekannt sein muss. Davon ist bei einem erhöhtem Getriebeverschleiß bei Fahrzeugen, die vorwiegend für den amerikanischen Markt produziert werden, aber auch in Mitteleuropa vertrieben werden, ohne entsprechenden Hinweis des Verkäufers regelmäßig nicht auszugehen.
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Urteil vom 10.03.2006; Aktenzeichen 5 O 11/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Ellwangen vom 10.3.2006 (Az.: 5 O 11/05) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 8.000 EUR.
Gründe
I. Der Kläger macht nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens Gewährleistungsansprüche geltend.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17.9.2004 von der Beklagten - einer gewerblichen Gebrauchtwagenverkäuferin - einen Ford, Baujahr, zu einem Gesamtkaufpreis einschließlich Garantieversicherung von 6.100 EUR. Im Kaufvertrag wurde als Stand des Kilometerzählers "109.000 km" eingetragen. Zum Zeitpunkt der Übergabe war in das Fahrzeug allerdings ein neuer Tachometer eingebaut worden, der als Laufleistung 0 km aufwies.
Ca. 3 Monate später blieb das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 6.362 km wegen eines Getriebeschadens liegen. Nachdem die Beklagte eine Nachbesserung ablehnte, hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.2.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag (Anlage K 9) erklärt.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend und verlangte in I. Instanz neben der Rückzahlung des Kaufpreises noch zusätzlich den Ersatz entstandener Kosten für ein Mietfahrzeug, Kundendienst, Ab- und Anmeldung, eine neue Batterie sowie Abschleppkosten. Wegen der gefahrenen Kilometer ließ er sich Gebrauchsvorteile i.H.v. 6 Cent pro Kilometer (insgesamt 400 EUR) anrechnen und machte in I. Instanz dementsprechend einen Zahlungsanspruch von 7.679,61 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs geltend. Zur Begründung führte er aus, der Getriebeschaden sei zumindest in der Anlage bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden gewesen.
Der Beklagte vertrat dagegen die Ansicht, das Fahrzeug sei bei Übergabe in einem alters- und ordnungsgemäßen Zustand gewesen. Der eingetretene Getriebeschaden beruhe entweder auf normalem Verschleiß oder auf einer Fehlbedienung. Außerdem sei der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet gewesen, die bestehende Garantieversicherung in Anspruch zu nehmen.
Das LG hat zu der Frage, ob der Getriebedefekt zumindest in der Anlage bereits bei Übergabe vorgelegen hat, zu dessen Ursachen und insb. zu der Frage, ob es sich dabei um eine normale Verschleißerscheinung gehandelt hat, ein Gutachten durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. eingeholt. Nach dessen Angaben war Ursache für den eingetretenen Getriebeschaden ein kapitaler Zahnradschaden, bei welchem nicht nur einzelne Zähne der Zahnräder ausgebrochen sind, sondern die Verzahnungen rundherum komplett abgehobelt waren, so dass das Getriebe keine Abtriebskräfte mehr übertragen konnte. Der Getriebeschaden sei zwar am 29.12.2004 spontan eingetreten, allerdings Folge eines langfristigen vorzeitigen Verschleißes. Die Ursache dafür liege in der Verzahnung, die von der konstruktiven Auslegung her nicht geeignet sei, hohe Kilometer-Laufleistungen zu überstehen.
Der Sachverständige führte weiter aus, die Anfälligkeit des Getriebes des ... sei in Fachkreisen bekannt und es gebe häufiger Fälle, in welchen das Getriebe keine besonders lange Haltbarkeit aufweise. Die von einem Konstrukteur vorausberechnete Lebenserwartung eines Getriebes bzw. der Zahnräder liege nach dem Stand der Technik bei 200.000 bis 300.000 km. Trete ein solcher Schaden vor einer Laufleistung von 200.000 km auf, müsse von einem "vorzeitigen Schaden" gesprochen werden.
Das LG hat der Klage unter Berufung auf die Angaben des Sachverständigen mit der Begründung zum größten Teil stattgegeben, der Zustand des Getriebes sei bei Übergabe mangelhaft gewesen, da übermäßiger und ungewöhnlicher Verschleiß vorgelegen habe, den ein Käufer nicht hinzunehmen brauche. Vergleichsmaßstab für Mängel eines Gebrauchtwagens bildeten zwar grundsätzlich bauart- und typgleiche Gebrauchtfahrzeuge mit entsprechendem Alter und...