Leitsatz (amtlich)
1. Die Verjährung gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer wird gemäß § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG auch dann unterbrochen, wenn der Geschädigte nur Klage gegen den Versicherer erhebt. Die verjährungsunterbrechende Wirkung tritt insoweit unabhängig davon ein, ob der Geschädigte irgendwann zum Ausdruck gebracht hat, den Versicherer neben dem Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen zu wollen.
2. Nach § 6 Abs. 1 AuslPflVG tritt die verjährungsunterbrechende Wirkung des § 3 Nr. 3 S. 4 PflVG gegenüber dem ersatzpflichtigen ausländischen Versicherungsnehmer dann ein, wenn Klage gegen den inländischen Versicherer erhoben wird, der die Pflichten des zuständigen ausländischen Versicherers übernommen hat.
3. Der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger kann nicht allein deshalb als verwirkt angesehen werden, weil der Schadensfall zum Zeitpunkt der Anspruchserhebung bereits 12 Jahre zurückliegt. Vielmehr muss der Schädiger auch darauf vertraut haben, dass der Geschädigte sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Für die Annahme eines solchen Vertrauens reicht die abstrakte Möglichkeit, dass der Schädiger bei Kenntnis von seiner späteren Inanspruchnahme Rücklagen hätte bilden können, nicht aus.
Normenkette
BGB §§ 209, 852; StVG § 14; PflVG § 3 Nr. 3 S. 4; AuslPflVG § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 16 O 57/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3.12.1999 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Feststellungstenor wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall mit dem Fahrer der Beklagten zu 2) B. am 7.4.1987 zwischen S. und N. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht durch den zwischen der Beklagten zu 2) und ihrem Haftpflichtversicherer bestehenden Versicherungsvertrag gedeckt ist und soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten zu 2) auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können Sicherheit durch Bankbürgschaft leisten.
Die Beschwer der Beklagten zu 2) beträgt 100.000 DM.
Tatbestand
Am 7.4.1987 wurde der Kläger als Autofahrer bei einem Verkehrsunfall auf der Kreisstraße zwischen S. und N. durch einen Lkw, dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist, schwer verletzt. Die alleinige Haftung der Beklagten zu 2) ist zwischen den Parteien dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger nahm zunächst den nach dem Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Anhänger (AuslPflVersG) auf Schadensersatz in Anspruch und erhob gegen diesen in unverjährter Zeit Klage. Während ein die volle Haftung des feststellendes Grundurteil in dritter Instanz rechtskräftig geworden ist (LG Münster v. 2.9.1991 – 16 O 358/90; OLG Hamm v. 23.9.1992; BGH v. 8.6.1993 – VI ZR 276/92), schwebt das Betragsverfahren derzeit in der Berufungsinstanz (OLG Hamm 26 U 12/99). Streitgegenständlich sind dort umfangreiche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche sowie die Feststellung materieller und immaterieller Zukunftsschäden.
Unstreitig besteht die Möglichkeit, dass der gesamte Personenschaden des Klägers die bei dem niederländischen Haftpflichtversicherer bestehende Deckungssumme i.H.v. 1 Mio. holländischer Gulden bzw. derzeit nach deutschem Recht bestehende Mindestdeckung i.H.v. 1 Mio. DM für Personenschäden übersteigen wird.
Der Kläger begehrt deshalb Feststellung, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis zu ersetzen, soweit kein Anspruchsübergang stattgefunden hat oder stattfindet und soweit der Anspruch nicht durch die Haftpflichtversicherung gedeckt ist. Er hat insoweit die Auffassung vertreten, dass der – unstreitig bestehende – geltend gemachte Anspruch nicht verjährt sei. Er hat zunächst die namensähnliche Beklagte zu 1) in Anspruch genommen, die Klage jedoch später zurückgenommen und die jetzige Beklagte zu 2) in Anspruch genommen.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall mit dem Fahrer der Beklagten am 7.4.1987 zwischen S. und N. entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht durch den zwischen der Beklagten und ihrem Haftpflichtversicherer bestehenden Versicherungsvertrag gedeckt ist und soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Die Beklagte zu 2) hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung und v...