Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz (BGH v. 23.2.2005 - XII ZR 114/03, MDR 2005, 812 = BGHReport 2005, 713 m. Anm. Hauß = FamRZ 2005, 608) entfällt, wenn es dem Unterhaltsschuldner gelungen ist, sämtliche relevanten Schulden mit einem neuen, langfristig angelegten und in vertretbaren Raten abzutragenden Kredit abzulösen.

2. Die für diesen Kredit aufzubringenden Raten sind jedenfalls dann in voller Höhe vom Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners abzusetzen, wenn die berechtigten Unterhaltsgläubiger dadurch nicht schlechter stehen als im Fall der Verbraucherinsolvenz.

 

Normenkette

BGB § 313; ZPO § 323

 

Verfahrensgang

AG Hamm (Urteil vom 17.05.2006; Aktenzeichen 31 F 172/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.5.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Hamm teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird in Abänderung des am 21.2.2005 vordem AG Hamm abgeschlossenen Vergleichs - Az. 31 F 253/04 AG Hamm - verurteilt, ab November 2005 wie folgt Unterhalt zu zahlen:

1. für die Zeit von November 2005 bis Juli 2006 an die Klägerin:

a) für die Klägerin selbst monatlich 552,96 EUR;

b) für Jonny monatlich 257 EUR;

c) für Nino monatlich 199 EUR;

2. für August 2006 an die Stadt Hamm:

a) für die Klägerin 552,96 EUR;

b) für Jonny 257 EUR;

c) für Nino 199 EUR;

3. für September und Oktober 2006 an die Stadt Hamm:

a) für die Klägerin monatlich 519 EUR;

b) für Jonny monatlich 257 EUR;

c) für Nino monatlich 199 EUR;

4. ab November 2006 an die Klägerin:

a) für die Klägerin selbst monatlich 519 EUR;

b) für Jonny monatlich 257 EUR;

c) für Nino monatlich 199 EUR;

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte zu 9/10 und die Klägerin zu 1/10 zu tragen

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz werden der Klägerin zu 2/5 und dem Beklagten zu 3/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Parteien sind verheiratet, leben aber getrennt. Das Scheidungsverfahren läuft. Sie streiten um die Abänderung des im Vorverfahren 31 F 253/04 AG Hamm abgeschlossenen Vergleichs über die Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt. Im Einzelnen liegt folgendes zugrunde:

Die Parteien haben am 30.12.1998 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen: Jonny, geboren am 7.11.1999, und Nino, geboren am 15.8.2003. Am 18.8.2004 ist der Beklagte aus dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Einfamilienhaus ausgezogen. In dem sich anschließenden Unterhaltsstreit haben sich die Parteien dahin verständigt, dass der Beklagte weiterhin die Lasten des nunmehr allein von der Klägerin und den Kindern bewohnten Hauses tragen und deshalb nur geringe Unterhaltsbeträge zahlen solle: jeweils 161 EUR für die beiden Kinder und 198 EUR für die Klägerin. Grundlage des Vergleichs war folgende Berechnung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens:

Nettoeinkommen des Beklagten in 2004 2.000,87 EUR

+Steuererstattung 66 EUR

+Realsplittingvorteil 83,48 EUR

./. berufsbedingte Fahrtkosten 105,60 EUR

verbleiben 2.044,75 EUR

./. Zinslasten des Hauses 627,08 EUR

./. Stadtkasse 17,48 EUR

./. Gebäudeversicherung 10,24 EUR

./. Grundsteuern 6,90 EUR

./.. öffentliche Abgaben 23,33 EUR

verbleiben 1.359,82 EUR

./. notwendiger Selbstbehalt 840 EUR

für Unterhaltszwecke verfügbar 519,83 EUR

Bei der Verteilung des verfügbaren Einkommens ist auf Seiten der Klägerin der mit 400 EUR bemessene Wohnwert des gemeinsamen Hauses als Einkommen berücksichtigt worden.

In der Folgezeit hat der Beklagte allerdings die Hauslasten nicht mehr bezahlt, so dass die Sparkasse als Gläubigerin der Hauskredite die Unterzeichnung eines Maklervertrages zum Zwecke des freihändigen Verkaufs verlangte, um eine Zwangsversteigerung zu vermeiden. Dem sind die Parteien nachgekommen, so dass das gemeinsame Haus nach dem Auszug der Klägerin am 12.11.2005 im Dezember 2005 verkauft werden konnte. Nach dem Verkauf betrug der Restsaldo der Verbindlichkeiten bei der Sparkasse rund 42.000 EUR. Da eine Vereinbarung über die Art der Tilgung nicht zustande kam, ist der Kredit im April 2006 gekündigt worden. Die Darlehensrestforderung der Sparkasse belief sich auf 41.404,96 EUR. Im Hinblick auf diese Schuld hat die Klägerin ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt, das am 24.5.2006 eröffnet worden ist.

Weil der Beklagte die Hauslasten ab Januar 2005 nicht mehr bedient hat, hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren eine Erhöhung der titulierten Unterhaltsbeträge ab diesem Zeitpunkt verlangt. Sie hat geltend gemacht, es könne nicht sein, dass ihr Ehemann von der Nichtzahlung allein profitiere. Bis einschließlich Oktober 2005 hat sie den ihr weiter zufließenden Wohnvorteil berücksichtigt und wie folgt gerechnet:

Einkommen des Beklagten (ohne Realsplittingvorteil) 1.961,27 EUR

./. Unterhalt für 2 Kinder (2 × 192 EUR) 384 EUR

verbleiben (richtig: 1.577,27 EUR...

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