Leitsatz
Zwischen getrennt lebenden Eheleuten war das Ehescheidungsverfahren anhängig. Sie hatten am 30.12.1998 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei im November 1999 und im August 2003 geborene Kinder hervorgegangen. Die Trennung der Eheleute erfolgte im August 2004 durch den Auszug des Ehemannes aus dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Einfamilienhaus.
In dem sich anschließenden Unterhaltsrechtsstreit verständigten sich die Parteien darauf, dass der Ehemann weiterhin die Lasten des nunmehr allein von der Klägerin und den Kindern bewohnten Haus tragen und deshalb nur geringe Unterhaltsbeträge zahlen sollte.
In der Folgezeit zahlte er allerdings die Hauslasten nicht mehr, so dass die Gläubigerin der Hauskredite die Unterzeichnung eines Maklervertrages zum Zwecke des freihändigen Verkaufs verlangte, um eine Zwangsversteigerung zu vermeiden. Dem kamen die Parteien nach, so dass das gemeinsame Haus im Dezember 2005 verkauft werden konnte.
Nachdem der Ehemann die Zahlung der Hauslasten ab Januar 2005 eingestellt hatte, nahm die Ehefrau ihn auf Erhöhung der titulierten Unterhaltsbeträge ab diesem Zeitpunkt in Anspruch.
Das erstinstanzliche Gericht hat die von der Ehefrau erhobene Abänderungsklage für die Zeit bis einschließlich Januar 2006 abgewiesen, da bis dahin die bisherigen Hauslasten fortbestanden hätten und zu berücksichtigen seien, weil die Klägerin insoweit Freistellung von den Schulden verlangen könne. Eine Änderung habe sich erst ab Februar 2006 durch den Verkauf des Hauses und die daraus resultierende Verringerung des Hausdarlehens ergeben.
Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Klägerin Berufung ein und beschränkte ihre Anträge auf die Zeit ab November 2005.
Ihr Rechtsmittel hatte überwiegend Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass Voraussetzungen für die Abänderung des Vergleichs vom 21.12.2005 seit November 2005 gegeben seien, weil der Klägerin ab ihrem Auszug aus dem gemeinsamen Haus der beim Vergleich bemessene Wohnwertvorteil nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Außerdem sei die Berücksichtigungsfähigkeit der Schulden neu zu bewerten, nachdem sich die dem Vergleich zugrunde liegende Erwartung zerschlagen habe, das den Parteien gemeinsam gehörende Haus könne für die Familie erhalten werden.
Entscheidend hielt das OLG die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang bei der Berechnung des für Unterhaltszwecke verfügbaren Einkommens Schulden zu berücksichtigen waren.
Im Hinblick auf die Chronologie der Ereignisse sei der Ehemann nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz verpflichtet gewesen, nachdem er weder die Hauslasten noch die sonstigen beim Vergleich nicht berücksichtigten Forderungen ausreichend habe bedienen können. Nur durch die Einleitung der Verbraucherinsolvenz hätte er den Vorrang der Unterhaltsforderungen vor sonstigen Verbindlichkeiten sichern können (BGH v. 23.2.2005 - XII ZR 114/03, MDR 2005, 812 = BGHReport 2005, 713 m. Anm. Hauß = FamRZ 2005, 608 ff.).
Versäume der Unterhaltspflichtige die zumutbare Durchführung der Privatinsolvenz, sei er fiktiv so zu behandeln, als wäre das Verfahren eröffnet. Da gem. § 89 Abs. 1 und 2 InsO keine Individualvollstreckung mehr möglich sei, komme ab dem möglichen Eröffnungszeitpunkt der Abzug von Zahlungen auf Kredite und sonstige Schulden nicht mehr in Betracht. Dann stehe zwar nicht das gesamte, aber immerhin das gem. § 850c ZPO pfändungsfreie Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte jedoch glaubhaft vorgetragen und auch belegt, dass es ihm gelungen sei, die nach dem Verkauf des gemeinsamen Hauses verbliebenen und alle weiteren aus der Ehe stammenden Schulden mit einem neuen, langfristig angelegten und in vertretbaren Raten abzutragenden Kredit abzulösen. Damit lägen besondere Umstände im Sinne der vorgenannten Entscheidung des BGH vor, welche die Durchführung der Privatinsolvenz als überflüssig und damit unzumutbar erscheinen lasse. Der Beklagte könne daher nicht so behandelt werden, als wäre die Privatinsolvenz im November 2005 eröffnet worden.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 10.11.2006, 11 UF 145/06