Leitsatz (amtlich)
1. Macht der Antragsteller bei der mündlichen Beantwortung von Antragsfragen ggü. dem das Antragsformular ausfüllenden Versicherungsagenten erkennbar unvollständige Angaben, hat dieser für die nach der Sachlage gebotenen Rückfragen zu sorgen.
2. Unterlässt der Agent die Rückfragen, geht dies zu Lasten des Versicherers, auch wenn dieser von den zur Nachfrage Anlass gebenden Umständen keine Kenntnis erlangt hat. Der Versicherer kann sich dann nach Treu und Glauben nicht auf die Unvollständigkeit der Angaben des Antragstellers berufen (im Anschluss an OLG Hamm VersR 2009, 1649).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 19.12.2008; Aktenzeichen I-1 O 137/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.12.2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die zugunsten des Klägers bei der Beklagten bestehende Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung 1-33.277.723-3 nicht durch Rücktritt der Beklagten vom 10.7.2007 erloschen ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.700 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf je 900 EUR ab dem 01.01., 01.02.,01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 1.12.2007, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10. und 1.11.2008 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung 1-33.277.723-3 Leistungen i.H.v. monatlich 900 EUR ab Dezember 2008 bis zum Vertragsende am 1.8.2031 bedingungsgemäß zu gewähren, zahlbar monatlich im Voraus.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, Überschussanteile der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Lebensversicherung 1-33.277.723-3 im Zeitraum April 2007 bis einschließlich zum 1.8.2031 bedingungsgemäß zu gewähren und an den Kläger auszuzahlen.
5. Es wird festgestellt, dass der Kläger von der Beitragszahlungspflicht betreffend die Lebensversicherung 33.277.723-3 einschließlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab April 2007 befreit ist.
6. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.761,08 EUR, die dieser an die Rechtsanwälte H & O zu zahlen hat, freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers aus einer mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung verbundenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Der Kläger verlangt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der V AG (nachfolgend einheitlich: die Beklagte) wegen einer nach seinem Vorbringen seit Dezember 2006 bestehenden Berufsunfähigkeit bedingungsgemäße Leistung - Zahlung einer Monatsrente von 900 EUR, Beitragsbefreiung und Überschussbeteiligung - sowie die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 10.7.2007 erloschen ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen der Tarifgruppe ZU 05" (im Folgenden AVB-BUZ) zugrunde. Vereinbartes Leistungsende ist der 1.8.2031.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und wegen der gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen S und P die Klage abgewiesen aus im Wesentlichen folgenden Gründen: Der Rücktritt der Beklagten sei berechtigt erfolgt, denn der Kläger habe seine Vorerkrankungen jedenfalls nicht vollständig mitgeteilt. Denn der Kläger habe die Beklagte nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass er im Jahr 2004 bereits zweimal wegen Arthritis krankgeschrieben gewesen sei. Das Risiko eines Landschaftsgärtners sei durch eine oft chronisch verlaufende entzündliche Gelenkerkrankung deutlich erhöht. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die Unvollständigkeit seiner Angaben nicht schuldhaft gewesen sei. Die zweifache Krankschreibung wegen Arthritis habe weder bereits so lange zurückgelegen noch habe es sich um eine so unbedeutende Erkrankung gehandelt, dass die Nichtangabe als schuldlos angesehen werden könne. Da der Kläger seine Klage maßgeblich gerade auf eine Erkrankung an Arthritis stütze, sei sein pauschaler Vortrag, die vor Antragstellung bestehenden Erkrankungen seien nicht ursächlich für den geltend gemachten Versicherungsfall, nicht nachvollziehbar.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Er habe bei Antragstellung keine Kenntnis davon gehabt, dass die Krankschreibungen im Jahr 2004 aufgrund einer Arthritis erfolgt waren; ihm sei seitens seines Hausarztes mitgeteilt worden, dass es sich um eine schmerzhafte...