Leitsatz (amtlich)
1. Unabhängig von einem Mitarbeiterverschulden haftet eine Gesellschaft analog § 31 BGB für die Beschädigung eines Nachbarhauses bei Abrissarbeiten, wenn es auf Anweisung des Geschäftsführers entgegen der bauordnungsrechtlichen Abrissgenehmigung zu einem Baggereinsatz kommt und dabei das Nachbarhaus beschädigt wird.
2. Ein Abzug "neu für alt" ist für die Instandsetzung einer einzigen Giebelwand eines mittlerweile rund 120 Jahre alten Hauses nicht vorzunehmen, wenn die neue Wand ohne Relevanz für den Wert und die Nutzungsdauer des Hauses ist.
Normenkette
BGB §§ 31, 249, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 5 O 283/17) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.06.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (5 O 283/17) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus beiden Urteilen vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer Beschädigung des klägerischen Wohnhauses im Zuge beklagtenseits durchgeführter Abrissarbeiten.
Der Kläger ist Eigentümer des im Jahre 1900 errichteten und von ihm bewohnten Einfamilienhauses unter der Postanschrift Bstraße Hausnr01 in X. Auf dem Nachbargrundstück Bstraße Hausnr02 befand sich angrenzend das mehrere Jahrzehnte später in Stahlträgerbauweise errichtete Wohn- und Geschäftshaus, das im Auftrag der Eigentümerin, der ursprünglichen Beklagten zu 2), von der Beklagten zu 1) abgerissen wurde. Die aneinander anschließenden straßenseitigen Außenwände beider Gebäude waren durch einen von außen nicht sichtbaren Stahlträger miteinander verbunden.
Der den Abriss des Hauses Bstraße Hausnr02 genehmigenden Bescheid der Stadt X sah - wie es auch beantragt worden war (Bl. 68 ff. d. A.) - u.a. vor, dass der Abbruch der oberen Geschosse zum Schutz der Nachbarbebauung per Hand zu erfolgen habe. Nur für das Erd- und Kellergeschoss durfte ein Kleinbagger eingesetzt werden.
Die Beklagte zu 1) führte hingegen am 22.03.2017 den Abbruch auch der oberen Geschosse unter Einschluss der an das Wohnhaus des Klägers angrenzenden Wand unter Verwendung eines Baggers "E mit Longfront-Ausrichtung" aus.
In Zusammenhang hiermit kam es zu Schäden am Wohnhaus des Klägers, über deren Umfang Streit herrscht. Jedenfalls entstand aufgrund der Entfernung des die Außenwände der Gebäude verbindenden Stahlträgers mittels des Baggers ein Loch im Eckbereich der traufseitigen Außenwand des Hauses des Klägers.
Nachdem die Klage an die Eigentümerin des Nachbargrundstücks nicht zugestellt werden konnte, hat der Kläger sie insoweit zurückgenommen. Zuletzt hat er in erster Instanz Schadenersatz i. H. v. 25.753,31 EUR nebst Zinsen sowie die Kosten der vorgerichtlichen Begutachtung durch den Sachverständigen C i. H. v. 2.408,56 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 1.124,32 EUR sowie Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 1) (im Folgenden nur Beklagte genannt) verpflichtet ist, ihm sämtliche zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen, die an seinem Hause durch die am 22.03.2017 erfolgte Abbruchmaßnahme entstehen. Das Landgericht hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des D nebst dessen Ergänzung erhoben.
Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 227-244 d. A.), auf dessen Feststellungen wegen der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, hat das Landgericht Dortmund der Klage überwiegend stattgegeben. Den Schadenersatzanspruch hat es gestützt auf §§ 823 Abs. 1, 31 bzw. § 831 BGB i. H. v. 16.033,75 EUR nebst Zinsen ebenso zugesprochen wie die Kosten des vorgerichtlichen Privatgutachtens und einen Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren. Dem Feststellungsantrag wurde ebenfalls stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Abweisung der Klage im Umfang ihrer Verurteilung durch das Landgericht weiterverfolgt. Zentral fehle es an ihrem Verschulden, weil die Abbrucharbeiten nach den Fachregeln ausgeführt worden seien und die Möglichkeit der Beschädigung des klägerischen Gebäudes nicht erkennbar gewesen sei. Rechts- und verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht den Schadenseintritt alternativ-kausal auf ein nicht näher definiertes Eindrücken der Grenzwand im Zuge der Abrissarbeiten zurückgeführt und daran auch das Verschulden geknüpft. In diesem Zusammenhang habe der Ge...