Leitsatz (amtlich)
1. Im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Verletzung der persönlichen Ehre außerhalb von Rundfunk und Presse ist - anders als im entsprechenden Klageverfahren - die Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens nach § 10 GSG NRW keine Zulässigkeitsvoraussetzung.
2. Ist einstweiliger Rechtsschutz gegen Ehrverletzungen vom Eingangsgericht aus fehlerhaften Erwägungen zur Zulässigkeit versagt worden, darf das Berufungsgericht die Sache nicht nach § 538 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an den ersten Rechtszug zurückverweisen, da dies dem Zweck des Eilverfahrens widerspricht.
3. Der Senat neigt zur zurückhaltenden Anwendung von § 531 ZPO im einstweiligen Verfügungsverfahren, wenn im ersten Rechtszug nur formale Zulässigkeitsgesichtspunkte - hier Anwendung von § 10 GSG NRW - verhandelt worden sind und der Antragsgegner sich erst im Berufungsverfahren sachlich gegen ihn erhobene Vorwürfe verteidigt.
4. Bei fortlaufenden ehrverletzenden Äußerungen entfällt ein Eilbedürfnis für eine begehrte Unterlassungsregelung nicht schon aus dem Grund, weil einzelne Äußerungen schon einige Wochen früher gefallen sind, deshalb aber noch kein gerichtliches Verbot beantragt worden ist.
5. Der Verletzte kann ehrenrührige wahrheitswidrige Behauptungen in justizförmigen Verfahren - etwa in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren - nicht ohne weiteres gerichtlich verbieten lassen.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 19.01.2007; Aktenzeichen 2 O 12/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 19.1.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert und wie folgt neu gefasst.
1. Dem Antragsgegner wird verboten, außerhalb eines justizförmigen Verfahrens wörtlich oder sinngemäß nachstehende Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten:
a) der Antragsteller verfüge nicht über eine ordnungsgemäß erlangte Professur, weil er nicht habilitiert habe,
b) der Antragsteller habe seine Biografie komplett gefälscht,
c) der Antragsteller sei nicht wissenschaftlicher Leiter von Instituten für "Sport, Freizeit- und Lernen" und "Weiterbildung",
d) der Antragsteller habe in Veröffentlichungen behauptet, bei der I Akademie für Hochwasserschutzmaßnahmen, Hochwasserforschung und Wasserrettung handele es sich um eine staatlich anerkannte Einrichtung,
e) der Antragsteller sei nicht im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums beschäftigt gewesen,
f) der Antragsteller habe während seiner Arbeitslosigkeit Stempel und Siegel eines Universitäts-Instituts gefälscht,
g) der Antragsteller habe ausländerfeindliche Pampflete gefertigt und verbreitet,
h) der Antragsteller sei ein "raffinierter Schwindler" und/oder "krimineller Schwindler".
2. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verbote ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Die Kosten des gesamten Verfügungsverfahrens werden dem Antragsteller zu ¼ und dem Antragsgegner zu ¾ auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollsteckbar.
Gründe
(gem. § 540 ZPO)
I. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Unterlassung von ehrverletzenden Äußerungen, die der Antragsgegner über die Person des Antragstellers getätigt haben soll.
Der Antragsgegner ist erster Vorsitzender, der Antragsteller zweiter Vorsitzender des mittlerweile insolventen Vereins "N e.V." Der Antragsgegner hegte den Verdacht, dass der Antragsteller Unterschriften des Antragsgegners gefälscht hätte, um für sich, den Antragsteller, Fördergelder zu erlangen. In diesem Zusammenhang stellte der Antragsgegner u.a. Recherchen über die Person des Antragstellers an.
In der Folgezeit wollte der Antragsteller die Auflösung des Vereins erreichen. Der Antragsgegner dagegen wollte den Verein unter Ausschluss des Antragstellers erhalten.
Vor dem vorbeschriebenen Hintergrund verfasste der Antragsgegner im Jahr 2006
- einen "Antrag auf Ausschluss des Mitglieds (Prof. Dr.?) U aus dem Verein ... N e.V." -wegen des Inhalts wird auf Bl 40 ff. dA Bezug genommen -,
- ein Rundschreiben an die Mitglieder des Vereins N e.V. vom 20.10.2006 - insoweit wird auf Bl 23 d.A. Bezug genommen -,
- ein Rundschreiben an die Mitglieder der Arbeitsgruppe M e.V. (M) - insoweit wird auf Bl 24 d.A. Bezug genommen - und
- ein "Info aktuell - Info aktuell", - insoweit wird auf Bl 45 d.A. Bezug genommen -. Das zuletzt genannte Schriftstück lies der Antragsgegner am 9.12. 2006 von der örtlichen Zeitungsfrau als Beilage zu den drei in N2 abonnierten Tageszeitungen verteilen.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Unterlassung von Äußerungen, die der Antragsgegner in den vorgenannten Schriftstücken über den Antragsteller getätigt haben soll.
Erstinstanzlich hat der Antragsteller beantragt, eine einstweilige Verfügung zu erlassen mit folgendem Tenor
1. Der Antragsgegner habe es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten,
a) der Antrags...