Leitsatz (amtlich)
Eigenhändig ge- und unterschriebene Schriftstücke können Testamente sein, auch wenn die sie verfassende Erblasserin die Schriftstücke nicht mit "Testament" oder "mein letzter Wille", sondern mit einer anderen Bezeichnung wie z.B. "Vollmacht" überschrieben hat.
Normenkette
BGB §§ 133, 2147, 2174, 2247
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 2 O 148/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.07.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Urteilstenor, wie folgt, neu gefasst wird.
Die Beklagte wird verurteilt, ihre Zustimmung zu erteilen dazu, dass die Guthaben der am 00.00.2014 verstorbenen C gegenüber der B Bausparkasse zu Kontonummer ... und die Guthaben gegenüber der Volksbank Q zu den Kontonummern .../..., .../..., .../... und .../... durch die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Beklagten und Frau M, abzüglich eines bereits gezahlten Betrages in Höhe von 31.709,-EUR an die Klägerin abzutreten sind.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils abgeändert.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird endgültig auf 31.709,-EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Nichte der Beklagten, nimmt diese auf Erfüllung von Vermächtnissen nach der am 00.00.2014 verstorbenen Erblasserin C in Anspruch. Die Erblasserin war unverheiratet und kinderlos. Die Beklagte und die Mutter der Klägerin, die Zeugin M, waren Schwestern der Erblasserin; die Klägerin war ihr Patenkind.
In einem mit "Testament" überschriebenen Schriftstück vom 07.06.2013 bestimmte die Erblasserin, dass sie das ihr gehörende Elternhaus in Q, B-Weg, nebst Grundstück nach ihrem Tod zu je 1/2 an ihre beiden Schwestern überträgt.
In zwei Schriftstücken vom 11.06.2013 - überschrieben jeweils mit "Vollmacht" - erteilte sie der Klägerin Vollmacht, in dem einen Schriftstück "über meinen Bausparvertrag bei der B Bausparkasse ... Bausparvertrags Nr. ... über meinen Tod hinaus, zu verfügen und sich das Guthaben auszahlen zu lassen" und in dem anderen Schriftstück "über sämtliches Vermögen, welches bei der Volksbank Q auf meinem Girokonto und Ersparnissen (Sparbuch, Geldanlagen) besteht, über meinen Tod hinaus, zu verfügen". Wegen des genauen Wortlaut wird auf die Schriftstücke vom 07. und 11.06.2013 Bezug genommen (AG Paderborn, 33 IV 837/14, Bl. 6, 7, 8).
Zudem fertigte die Erblasserin eine mit "Vermögensaufstellung" überschriebene Zusammenstellung ihrer Sparbücher und Sparverträge, wegen des Inhalts wird auf die Anlage zum Verhandlungsprotokoll vom 28.03.2017 (Bl. 153 -154 d.A.) verwiesen wird.
Unstreitig hatte die Erblasserin der Mutter der Klägerin, der Zeugin M, bereits zu ihren Lebzeiten Kontovollmachten über ihre Geldanlagen erteilt, die nach dem Erbfall von der Beklagten widerrufen worden sind.
Im Zeitpunkt des Erbfalls besaß die Erblasserin das im "Testament" genannte Hausgrundstück in Q, das nach dem Erbfall für 190.000,-EUR verkauft worden ist, sowie Barvermögen im Werte von rd. 72.500,-EUR (vgl. AG Paderborn, 33 VI 1107/17, Bl. 25). Das Guthaben auf den Konten der Erblasserin bei der Volksbank Q belief sich auf 59.301,-EUR (vgl. Aufstellung, Bl. 11 d.A.). Der Bausparvertrag bei der B Bausparkasse wies beim Erbfall einen Guthabenbetrag von 4.137,30 EUR auf (Bl. 12 d.A.).
Unter dem 27.08.2014 beantragte die Zeugin M beim Nachlassgericht unter Vorlage der Schriftstücke vom 07. und 11.06.2013 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie und ihre Schwester, die Beklagte als Miterben zu einem Anteil von je 1/2 ausweist. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich "bei diesem Grundstück um das Hauptvermögen der Erblasserin handelt" und deshalb das Testament so auszulegen sei, dass sie und ihre Schwester Erben zu je 1/2 geworden seien (vgl. AG Paderborn 33 VI 1107/14, Bl. 1). Am 31.10.2014 erteilte das Nachlassgericht antragsgemäß einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Zeugin M und die Beklagte als Miterben zu je 1/2 ausweist.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe ihr Vermächtnisse zugewandt. Die Zeugin M hat einen solchen Vermächtnisanspruch anerkannt und der Klägerin vorprozessual einen Betrag in Höhe von 31.709,-EUR ausgezahlt. Die Höhe des Betrages hat sie nach der Hälfte der Guthabenbeträge der Erblasserin bei der B Bausparkasse und der Volksbank Q errechnet. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin einen Betrag in Höhe von weiteren 31.709,-EUR gegenüber der Beklagten eingeklagt, nachdem diese eine Vermächtniserfüllung verweigert hatte.
Die ...